Nordmazedonien – Jahresbericht 2023

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Nach der Beilegung von bilateralen Streitigkeiten zwischen Nordmazedonien und Griechenland (2018) sowie Bulgarien (2022) eröffnete die Europäische Union im Juli 2022 offiziell die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien, das seit 2020 Mitglied der NATO ist.

Die Aufnahme der bulgarischen Minderheit in die Verfassung – als Voraussetzung für den Fortgang der tatsächlichen Verhandlungen – ist innenpolitisch weiterhin umstritten.

Strittig ist zudem die übereilte Reform der Korruptionsbestimmungen im Strafgesetzbuch (StGB) ohne Beteiligung der ministeriellen Expertengruppe zur StGB-Reform.

Seit 2017 regiert eine Reformregierung, bestehend aus der sozialdemokratischen Partei SDSM und Parteien der albanischen Minderheit. Nach dem Rücktritt des seit Januar 2022 amtierenden Premierministers ist seit dem 28. Januar 2024 eine technische Regierung im Amt. Für den 24. April 2024 ist die Präsidentenwahl und für den 8. Mai 2024 die Wahl des Parlaments angesetzt.

Konzeption

Die seit 2000 im Rahmen des Stabilitätspakts für Südosteuropa bestehenden Aktivitäten der IRZ wurden seither kontinuierlich verstärkt. Partner der IRZ bei den mit Mitteln des Bundesministeriums der Justiz und des Auswärtigen Amts in Nordmazedonien durchgeführten Projekten sind das Justizministerium, das Verfassungsgericht, die Akademie „Pavel Shatev“ für die Richter- und Staatsanwaltschaft, der Regierungsvertreter vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die Nichtregierungsorganisation „Legis“, verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende der Juristischen Fakultät in Skopje. Vor Ort vergrößerte die IRZ in den vergangenen Jahren die Zielgruppe ihrer Aktivitäten und deren Nachhaltigkeit durch juristische Publikationen in der Landessprache.

Die IRZ legte ihren Schwerpunkt auf die Förderung des juristischen Nachwuchses durch Maßnahmen, bei denen die richterliche Unabhängigkeit und die effektive Prozessleitung im Mittelpunkt stehen, sowie auf Aktivitäten im Bereich des Verfassungsrechts und der Menschenrechte.

Tätigkeitsschwerpunkte 2023

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Erstellung einer Studie „Mehr Rechtsschutz für Bürger durch umfassende und effektive Verfassungsbeschwerde“ und Abschlusskonferenz im Rahmen des Projekts „Propagierung der Verfassungsbeschwerde als wichtigstes Mittel zum Grundrechtsschutz in Nordmazedonien“
  • Herausgabe zweier Newsletter über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf Mazedonisch und Albanisch
  • Teilnahme des Verfassungsgerichts von Nordmazedonien an der regionalen Verfassungsgerichtskonferenz zum Thema „Schutz des Rechts auf Privatsphäre“, gemeinsam veranstaltet mit dem Verfassungsgericht von Montenegro

Rechtspflege

  • Schulungskomponente zum Thema „Technik des Verfassens von Urteilen: Das schriftliche Urteil im deutschen Strafprozess“, im Rahmen der Schulungen für neu ernannte Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Akademie „Pavel Shatev“ für die Richter- und Staatsanwaltschaft

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Gesetzgebungsberatung zur Reform des Strafgesetzbuchs im Bereich der Regelungen zur Korruptionsbekämpfung

Aus- und Fortbildung

  • Zwei Studienbesuche in Deutschland für neu ernannte Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zum Thema „Effektive und aktive richterliche Verhandlungsführung im Zivil- und Strafverfahren“, in Zusammenarbeit mit der Akademie „Pavel Shatev“ für die Richter- und Staatsanwaltschaft
  • Mitwirkung von Teilnehmenden aus Nordmazedonien am regionalen Jahresworkshop der deutschsprechenden IRZ-Alumni zum Thema „Aktuelles aus dem deutschen Recht“ (gesponsort durch den Verlag C.H.BECK, München) und am regionalen Kurs zur deutschen Rechtsterminologie
  • Vorlesung zur Ausbildung von Juristinnen und Juristen in Deutschland an der Juristischen Fakultät Skopje

Von der Europäischen Union finanziertes Projekt

EU-Twinning-Projekt „Enhancement of capacities of the Agency for Audio and Audiovisual Media Services and the Public Service Broadcaster“

Seit Juni 2023 implementiert die IRZ das EU-Twinning-Projekt „Enhancement of capacities of the Agency for Audio and Audiovisual Media Services and the Public Service Broadcaster“ in Nordmazedonien mit einer Laufzeit von 18 Monaten und einem Budget von 788.000 Euro.

Das Vorhaben zielt darauf ab, die Arbeit des öffentlichen Rundfunks und der Medienanstalt in Nordmazedonien zu unterstützen. Dazu zählt besonders die Stärkung der institutionellen und administrativen Kapazitäten. Grundlagen sind die von der Europäischen Union vorgegebenen rechtlichen und regulatorischen Rahmen und die bewährten Verfahren innerhalb der EU-Mitgliedstaaten.

Das Projekt unterstützt die zwei vorgenannten Organisationen bei der Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen.

Die erste Projektkomponente richtet sich an die Agentur für Audio- und audiovisuelle Mediendienste (AAAVMS). Die AAAVMS steht vor großen Herausforderungen im Zusammenhang mit der laufenden Rechtsreform des Landes. Gesetze und Verordnungen, die sich derzeit im Genehmigungsverfahren befinden, haben Auswirkungen auf die Arbeitspraktiken der AAAVMS und sollen mit der für sie gültigen Richtlinie harmonisiert werden. Ein weiterer Fokus liegt auf der Förderung der Medienkompetenz und einer wirksameren Bekämpfung von Desinformation und unethischer Medienberichterstattung. Um diesen Prozess zu unterstützen, werden

IRZ-Expertinnen und Experten den Aufbau von Kapazitäten in Form von Workshops und Schulungen anbieten. Darüber hinaus werden europäische Best Practices gemeinsam an den mazedonischen Kontext angepasst und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit vertraut gemacht. So sollen nachhaltige Kapazitäten für die Umsetzung der AAAVMS-Richtlinie in eine sich ändernde nationale Gesetzgebung geschaffen werden.

Die zweite Komponente dient der Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Nordmazedoniens. Diese Institution ist mit besonders komplexen Aufgaben konfrontiert, die sich aus ihrem Arbeitsbereich und ihrem historischen Kontext ergeben. Das Twinning-Projekt zielt darauf ab, sich den Herausforderungen durch eine enge Zusammenarbeit zu stellen. Dazu gehört die Verbesserung der Instrumente zur Beobachtung und Bewertung der öffentlichen Meinung über die Dienste des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Darüber hinaus wollen die deutschen Expertinnen und Experten die Produktion von qualitativ hochwertigeren Programmen auf der Grundlage einer angemessenen Publikumssegmentierung und verbesserter journalistischer Ansätze unterstützen.

Ausblick

Die IRZ führt auch 2024 Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für das juristische Personal und für den juristischen Nachwuchs durch und setzt sich damit für eine höhere Qualität der Rechtsanwendung ein. Die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht wird berücksichtigen, dass Ende 2023 ein EU-Projekt zu dessen Unterstützung begonnen hat.