Das kulturelle Kaleidoskop des Rechts: Erfahrungen aus dem Hospitationsprogramm 2023
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- Veröffentlicht: Dienstag, 21. Mai 2024
In der komplexen Welt des Rechts steht die theoretische Durchdringung der einzelnen Fachgebiete zwar zumeist am Anfang, aber sicherlich nicht am Ende der akademischen Aus- und beruflichen Fortbildung.
Neben der theoretischen Erfassung dieser Welt bedarf es auch der aufmerksamen Einarbeitung in die Praxis, welche bekanntlich ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, Nuancen und eben auch Abweichungen kennt, auf deren Kenntnis sich Praktikerinnen und Praktiker nach einigen Jahren der Anwendung stützen können.
Zum internationalen Rechtskontext sowie zur Rechtsvergleichung gesellt sich der Faktor der unterschiedlichen Rechtstraditionen und -kulturen hinzu, welcher seine ganz eigene Faszination ausstrahlen kann. Nach rund dreißigjährigem Bestehen kann das multilaterale Hospitationsprogramm für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der IRZ, welches durch die Bundesrechtsanwaltskammer und den Deutschen Anwaltsverein mitveranstaltet und co-finanziert wird, bereits auf eine reiche Geschichte als Vernetzungsplattform und Ideenbörse für die europäische Rechtsanwaltschaft zurückblicken. Im Kaleidoskop der kulturellen Rechtspraxen genügt oft ein kleiner Schwenk für eine gänzlich neue Perspektive, die gewinnbringend in die eigene Arbeit eingebracht werden kann.
Vom 27. August bis zum 28. September 2023 war es wieder soweit: Aus elf verschiedenen Staaten reisten interessierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach Deutschland, um einen vertieften Einblick in die deutsche Rechtspraxis zu bekommen. Der besondere Gewinn dieses erfolgreichen Formats liegt dabei neben der fachwissenschaftlichen Debatte und der Einarbeitung in ausgewählte Rechtsbereiche vor allem in den vielen Gelegenheiten zum persönlichen und interkulturellen Austausch. So kam auch dieses Jahr der kollegiale Dialog nicht zu kurz.
Als große Besonderheit in 2023 fand die Einführungswoche nicht in Bonn, sondern in Berlin statt, wo die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltsverein ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellten. Die Teilnehmenden erhielten durch Vertreterinnen und Vertreter der Bundesrechtanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins sowie durch praktizierende Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einen Einblick unter anderem in das anwaltliche Berufsrecht, die anwaltliche Selbstverwaltung, das Vertrags- und Unternehmensrecht, die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, das Familienrecht sowie in das Beschwerdeverfahren vor dem EGMR und die Auswirkungen der Urteile des EGMR auf die nationalen Rechtsordnungen.
Als Highlights standen die Besuche des Reichstags und des Landgerichts Berlin auf dem Programm, die durch Fachgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Institutionen begleitet wurden und informative Einblicke gewährten. Neben dem intensiven Programm der Einführungswoche gab es selbstverständlich auch in der freien Zeit viele Gelegenheiten für gute Gespräche und geselliges Beisammensein.
Anschließend ging es für die Hospitantinnen und Hospitanten in die gewählten Stationen. Für drei Wochen hatten sie die Gelegenheit, die Kanzlei- und Gerichtspraxis der deutschen Partnerinnen und Partner kennenzulernen. Hierbei konnten die Hospitierenden – nicht zuletzt auch wegen der im Vergleich mit klassischem „work shadowing“ langfristigen Einbettung im alltäglichen Betrieb – tiefgreifende und ertragreiche Erfahrungen sammeln, an Gerichts- und Mandantenterminen teilnehmen und sich mit den deutschen Fachkolleginnen und -kollegen austauschen.
Dementsprechend gab es bei der erneuten Zusammenkunft viel zu erzählen. Im Rahmen des Auswertungsseminars reflektierten die Teilnehmenden das Erlebte. Das Hospitationsprogramm konnte außerdem auf einer methodischen Ebene evaluiert werden.
Das Feedback fiel dabei sehr positiv aus, wobei die Teilnehmenden neben den geknüpften Kontakten und dem multilateralen Austausch die produktive und gewinnbringende Wissensvermittlung sowohl im Einführungsseminar, als auch in den Stationen hervorhoben. Der didaktische Ansatz, eine Mischung aus Praxis- und Theorieelementen zu kombinieren, lobten die Teilnehmenden erneut, da sich eine Übertragung von Wissenselementen in den eigenen Arbeitsbereich so deutlich leichter gestalten lässt. Auch die Fachdiskussionen ließen erkennen, dass die „Hands-on-Mentalität“ des Hospitationsprogramms Früchte trägt.
Ein gemeinsames Abendessen rundete den Besuch in Deutschland ab, welches eine zusammenfassende Botschaft zulässt: Nach einem überaus erfolgreichen Jahr 2023 bleibt das Hospitationsprogramm auf Kurs, auch im kommenden Jubiläumsjahr die internationale Rechtspraxis weiter zu vernetzen und den rechtskulturellen Austausch zu pflegen!