Multilateral – Jahresbericht 2020
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 08. September 2021
Konzeption
Multilaterale Veranstaltungen wie Konferenzen, Sommerschulen und insbesondere Hospitationsprogramme stellen einen wichtigen Bestandteil der Arbeit der IRZ dar.
Sie bieten Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwendern aus der Justiz oder der freien juristischen Berufe ein Forum des fachlichen Austauschs mit deutschen Kolleginnen und Kollegen. Aktuelle Rechtsfragen oder Problemstellungen zur Bewältigung des beruflichen Alltags können so gemeinsam erörtert werden. Sommerschulen und ähnliche multilaterale Ausbildungsformate hingegen ermöglichen jungen Juristinnen und Juristen eine Auseinandersetzung mit anderen Rechtssystemen und mit europäischen Standards der Rechtsstaatlichkeit.
Ein Ziel dieser Formate ist daneben auch die langfristige länderübergreifende Netzwerkbildung innerhalb der jeweiligen Zielgruppen. Hierzu leisten die Programme einen bedeutenden Beitrag.
Durch das Angebot, einige der traditionell in deutscher Sprache durchgeführten Programme auch in den Transfersprachen Englisch und Französisch aufzulegen, wird der Kreis der IRZ-Partnerstaaten in diesem Kontext fast nahezu vollständig erreicht. Bedauerlicherweise musste diesjährig pandemiebedingt der überwiegende Teil – mit Ausnahme des Hospitationsprogramms für arabisch-sprachige geflüchtete Juristinnen und Juristen dieser üblicherweise im Präsenzformat durchgeführten Veranstaltungen abgesagt werden.
Stattdessen wurden kleinere praxisorientierte Fortbildungsveranstaltungen im Online-Format durchgeführt. Diese Formate können jedoch den Zielsetzungen vor allem der klassischen Hospitationsprogramme nur bedingt gerecht werden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des konkreten Einblicks in die juristische Arbeitspraxis in Deutschland, die Arbeitsorganisation etwa von Notariaten oder Anwaltskanzleien oder die Verfahrensabläufe und die Verhandlungsatmosphäre an deutschen Gerichten. Daher wird angestrebt, die traditionellen Formate im kommenden Jahr nach Möglichkeit wieder aufzulegen, sobald die äußeren Rahmenbedingungen dies zulassen. Andernfalls werden teilweise wieder Online-Formate angeboten.
Veranstaltungen 2020
Fünftes Seminar für arabischsprachige geflüchtete Juristinnen und Juristen
Bereits im fünften Jahr organisierte die IRZ vom 13. bis 17. Juli 2020 das Seminar „Einführung in das deutsche Recht“ für arabischsprachige geflüchtete Juristinnen und Juristen, die aus ihren Heimatstaaten Syrien und Irak ein abgeschlossenes juristisches Studium oder auch schon anwaltliche Berufserfahrung mitgebracht haben. Das Programm wurde 2020 auf 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgeweitet. An fünf Arbeitstagen wurden Grundlagen des deutschen Rechtssystems vermittelt. Thematische Schwerpunkte der Veranstaltung waren das Staatsorganisationsrecht, die Grundrechte, das deutsche Gerichtssystem, Grundlagen des deutschen Asyl- und Aufenthaltsrechts sowie Grundlagen und Fallbeispiele aus dem Straf- und Strafprozessrecht und dem Zivil- und Zivilprozessrecht.
Neben diesen Vorträgen und Diskussionen fand im Rahmen des Seminars ein Arbeitsbesuch beim Landgericht Bonn mit anschließender Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung statt. Ferner führte eine Vertreterin der juristischen Fakultät der Universität Bonn ein Gespräch mit den Teilnehmenden und unterrichtete sie über Studienmöglichkeiten für ausländische Studentinnen und Studenten.
Das Seminar legte einen Fokus auf die Darstellung von Fallbeispielen; diese veranschaulichen die deutsche Rechtspraxis, weisen einen Bezug zu den Alltagserfahrungen der Geflüchteten auf und werden gemeinsam diskutiert. Dies führte nicht nur zu einem regen Austausch und vielen interessierten Nachfragen, sondern fördert auch die Integration der Geflüchteten in die deutsche Gesellschaft und das Verständnis für rechtliche Zusammenhänge.
Finanziert wurde das Seminar vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.
Hospitationsprogramm für arabischsprachige geflüchtete Juristinnen und Juristen im Bereich „Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht“
Zur Ausweitung des erwähnten Programms für arabischsprachige Juristinnen und Juristen aus Syrien und dem Irak führte die IRZ im November und Dezember 2020 ein zusätzliches Hospitationsprogramm durch. Das Programm bestand aus einer fünftägigen einführenden Online-Veranstaltung, in der den Teilnehmenden Kenntnisse unter anderem des Gesellschaftsrechts, des Insolvenzrechts, des Wettbewerbsrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes vermittelt wurden, ferner aus einem sich anschließenden zweiwöchigen Praktikum, das die Hospitierenden in ausgewählten Rechtsanwaltskanzleien und Wirtschaftsunternehmen absolvierten. So konnten die Teilnehmenden ihre bereits erworbenen Kenntnisse vertiefen und einen Einblick in die juristische Arbeit in der Praxis gewinnen. Die Veranstaltung trägt hoffentlich dazu bei, einen leichteren Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden.
Auch dieses Hospitationsprogramm wurde mit Mitteln des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bestritten. Die IRZ beabsichtigt, das Hospitationsprogramm im Jahr 2021 fortzuführen und auch die pandemiebedingt ausgefallene Komponente zum Thema „Soft Skills“ für Juristinnen und Juristen nachzuholen.
Fortbildungen im Online-Format für französischsprachige Juristinnen und Juristen aus den Maghreb-Staaten
Vom 30. November bis 3. Dezember 2020 bot die IRZ erstmals eine Online-Fortbildungsreihe in französischer Sprache zu aktuellen Frage- und Problemstellungen der beruflichen Praxis für Notarinnen und Notare, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Verwaltungs- und Zivilrichterinnen und -richter aus Algerien, Tunesien und Marokko an. An der Veranstaltungsreihe – für jede der vier Berufsgruppen wurde ein Tag reserviert – nahmen insgesamt rund 40 Personen aus den drei Staaten teil. Folgende Themen wurden unter anderem behandelt:
- Digitalisierung (elektronische Akte, elektronischer Rechtsverkehr)
- Verhandlungsführung in der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit
- Internationales Privatrecht in der notariellen Praxis am Beispiel des Erbund Familienrechts
- Anwaltliches Berufsrecht
Nach einem einführenden Kurzvortrag seitens der deutschen Referentinnen und Referenten in die jeweilige Thematik hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, im Plenum Fragestellungen intensiv zu erörtern und sich generell auszutauschen. Das Interesse war groß und führte zu lebhaften Diskussionen, trotz digitaler Plattform. Dennoch bestand Einigkeit darüber, dass der persönliche Kontakt durch dieses Format nicht zu ersetzen ist und man insofern auf eine Rückkehr zu dem klassischen Hospitationsprogramm im kommenden Jahr hofft.
Alumni-Fortbildungsveranstaltung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu rechtlichen Auswirkungen der COVID-19Pandemie
Die IRZ fördert den Kontakt unter den ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des multilateralen Hospitationsprogramms für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mittels der Website des IRZ-Netzwerks und bleibt mit diesen durch regelmäßige Korrespondenz in einem intensiven Austausch. Das Hospitationsprogramm führen die IRZ, die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein seit 1994 gemeinsam durch.
Das neue Online-Format bot die Gelegenheit, ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Anwaltshospitation aus verschiedenen Jahrgängen bei einer Veranstaltung zusammenzubringen. Für diese führte die IRZ gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltverein ein Seminar zum Thema „Rechtliche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ durch. An der Veranstaltung nahmen 36 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus 17 verschiedenen Ländern und aus den Hospitationsjahrgängen von 1995 bis 2019 teil. Die vortragenden Rechtsanwälte tauschten sich mit den teilnehmenden Alumni über die COVID-19-Pandemie aus. Thematisiert wurden hierbei unter anderem Rechtsgrundlagen für die Anordnung der Corona-Maßnahmen, Folgen für das Gewerbemietrecht, rechtliche Aspekte abgesagter Veranstaltungen und Fragen im Zusammenhang mit Entschädigungsansprüchen und Versicherungsschutz für Betroffene. Anhand von Fällen aus der anwaltlichen Praxis und der aktuellen Rechtsprechung brachten die Vortragenden den teilnehmenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten die Situation in Deutschland näher und luden sie ein, eigene Erfahrungen aus ihren Ländern beizutragen. Dieser Einladung kamen die Alumni bereitwillig nach.