Vietnam - Jahresbericht 2018
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- Veröffentlicht: Montag, 29. Juli 2019
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Die politischen Rahmenbedingungen haben sich auch 2018 wenig geändert – Vietnam hat nach wie vor eine stabile Einparteienherrschaft, in der die Kommunistische Partei ihren Führungsanspruch in Staat und Gesellschaft durchsetzt. Dieser politische Zustand wird zusätzlich durch die 2014 in Kraft getretene Verfassung gefestigt. Demgegenüber hat sich Vietnam der Verwirklichung einer Marktwirtschaft „sozialistischer Prägung“ verschrieben und verzeichnet seit Jahren ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Das Land zählt zu den dynamischsten Volkswirtschaften in der südostasiatischen Region und ist mittlerweile ein „middle income“-Staat. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung und wird immer jünger, das Gesundheitswesen hat sich enorm verbessert, und auch der Bildungssektor verzeichnet deutliche Fortschritte. Die Modernisierung der staatlichen Strukturen, der Rechtsordnung und der Justiz dauert fort. Es gibt eine rege Gesetzgebungstätigkeit und zahlreiche Vorhaben zur Umsetzung internationaler Verpflichtungen, es werden viele Maßnahmen zur Stärkung der institutionellen Kapazitäten in Angriff genommen
Konzeption
Seit 2010 ist die IRZ in Vietnam tätig und realisiert Projekte im Rahmen des deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialogs, der 2008 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Zusammenarbeit mit dem vietnamesischen Justizministerium ins Leben gerufen wurde. So entstanden vielfältige Kooperationen, darunter mit dem Justizministerium, der Justizakademie, dem Obersten Volksgericht, der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, der Rechtsanwaltskammer, dem Menschenrechtsinstitut, der Rechtshochschule und mit verschiedenen anderen Institutionen.
Der Fokus der Tätigkeit der IRZ richtet sich darauf, die Umsetzung menschenrechtlicher Garantien, insbesondere im materiellen und prozessualen Strafrecht sowie in neuen zivilrechtlichen Regelungen, zu unterstützen. Hier erzeugen die seit ca. 30 Jahren erstmals komplett novellierte Strafprozessordnung und das ebenfalls reformierte Strafgesetzbuch bei verschiedenen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwendern erheblichen Beratungsbedarf. In zwei internationalen Konferenzen mit dem Institut für Menschenrechte diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft und Rechtspraxis mit deutschen Kolleginnen und Kollegen die angestoßenen Veränderungen zur konsequenten Einhaltung von Menschenrechten im Strafund Strafprozessrecht aus verschiedenen Perspektiven. Dabei nahmen die neu eingeführten Bestimmungen zur Unschuldsvermutung und zur Videoaufzeichnung von Vernehmungen sowie die Abgrenzung der Befugnisse von Gericht, Staatsanwaltschaft, Polizei und den Rechten des/der Angeklagten breiten Raum ein. Für die Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger spielen das Beweisrecht (Zulässigkeit, Vorlage, Würdigung etc.) und die Durchsetzung ihrer Rechte im Strafverfahren eine zentrale Rolle. Diesem Themenkomplex widmete die IRZ deshalb einen eigenen Workshop.
Die Beratungen für einen gesetzlich verankerten Schutz transgeschlechtlicher Menschen nahm die IRZ nach 2017 auch im Berichtsjahr gern wieder auf, da das Inkrafttreten des neuen TransgenderGesetzes entgegen der ursprünglichen Planung von 2018 auf 2020 verschoben wurde. Zwar hatte sich der aktuelle Gesetzentwurf im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessert, und es wurden auch Empfehlungen von IRZ-Seite eingearbeitet, doch bestand immer noch an vielen Stellen Nachbesserungsbedarf. Die IRZ richtete dazu einen Workshop mit dem Center for Consulting on Legal and Policy on Health and HIV/AIDS sowie verschiedenen Vertretern aus der Regierung und Zivilgesellschaft aus. Der wechselseitige Austausch machte deutlich, dass trotz unterschiedlicher gesetzlicher Ausgangslagen gleichgeartete Bemühungen zur rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Gleichbehandlung unternommen werden. Die anwesenden Mitglieder der Redaktionsgruppe äußerten die Absicht, die besprochenen Änderungsvorschläge auch erneut wieder zu berücksichtigen, und es ist beachtlich, dass für ein konfuzianisch geprägtes Land ein sehr fortschrittlicher Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden soll.
Darüber hinaus bildet die juristische Aus- und Fortbildung einen wichtigen Schwerpunkt, was sich in zwei Seminaren für Richterinnen und Richter niederschlug. Dabei ging es um die Anwendung von ungeschriebenem Recht im gesamten Zivilrecht, und so wurden die Abgrenzung zu kodifiziertem Recht und dessen Auslegung diskutiert und die Identifizierung von Gewohnheitsrecht, die Kollision mit geschriebenem Recht sowie das Erkennen von Gesetzeslücken thematisiert.
Mit Veranstaltungen in verschiedenen Regionen außerhalb Hanois wird angestrebt, regelmäßig auch dort ansässige Teilnehmerinnen und Teilnehmer einzubeziehen.
Tätigkeitsschwerpunkte 2018
Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzung
- Rechtsvergleichende Konferenz zu den verfassungsrechtlichen Implikationen für das Straf- und Strafprozessrecht mit dem Vietnamesischen Institut für Menschenrechte; gefördert durch das Auswärtige Amt (AA) in Hanoi und in Da Nang
Strafrecht und Strafvollzugsrecht
- Workshop zum Beweisrecht und zu Rechten der Verteidiger mit der vietnamesischen Rechtsanwaltskammer in Hai Phong
Zivilrecht
- Workshop zur Fortführung der Beratung zum Gesetz über die Geschlechtsangleichung (Stärkung der Rechte von transgeschlechtlichen Menschen) mit dem Center for Consulting on Legal and Policy on Health and HIV/AIDS in Hanoi
Aus- und Fortbildung
- Workshop zur juristischen Methodenlehre in der Rechtsprechung (Schwerpunkt Zivilrecht) mit dem Obersten Volksgericht in Hanoi und in Ho-Chi-Minh-Stadt
- Fachübersetzung des Strafgesetzbuchs und Strafprozessrechts vom Vietnamesischen ins Deutsche
Ausblick
Die Fortsetzung des deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialogs wird für 2019 erwartet. Die IRZ wird die Kooperation mit ihren Partnern fortführen, indem sie verstärkt Maßnahmen zur Anwendung der neuen strafrechtlichen Regelungen auf diversen Gebieten wie z. B. im Jugendstrafrecht anbietet. Die Aus- und Fortbildung bleibt weiterhin ein wesentlicher Baustein der Tätigkeit. Hauptzielgruppe der Beratungen sind Richterinnen und Richter sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.