Bosnien und Herzegowina - Jahresbericht 2013

Länderbericht Bosnien 2013Dekan Prof. Dr. Milan Tomic bei seiner Eröffnungsansprache zum „5.Tag des deutschen Rechts in Bosnien und Herzegowina“

Allgemeines – Konzeptionelle Ausrichtung

Rechtspolitische Ausgangslage

Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit in Südosteuropa setzt die IRZ seit 2000 im Rahmen des Stabilitätspakts in Bosnien und Herzegowina. Weil das Land kriegsbedingt verspätet mit der Transformation des Rechtssystems begonnen hat, ist die schnelle Umsetzung rechtsstaatlicher Standards besonders dringlich. Eine Beratung von deutscher Seite ist sinnvoll und besonders nachhaltig, weil sich das bosnisch-herzegowinische Recht traditionell am kontinental-europäischen orientiert.

Schwierigkeiten bei der Projektarbeit ergeben sich in Bosnien und Herzegowina aufgrund des ausgeprägten föderalen Systems, dessen Gliedstaaten nur eingeschränkt miteinander kooperieren. Die daraus folgende Rechtszersplitterung erschwert das 2008 unterzeichnete, aber bislang noch nicht ratifizierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU. Ursache hierfür ist die immer noch ausstehende Implementierung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) im Fall Sejdic/Finci gegen Bosnien und Herzegowina vom 22. Dezember 2009, das die Beseitigung von Diskriminierungen beim passiven Wahlrecht fordert.

Auf der anderen Seite ist die nachwachsende junge Generation eine wichtige Ressource von Bosnien und Herzegowina. Viele junge Akademiker, von denen ein erheblicher Teil als Kriegsflüchtlinge in Deutschland gelebt hat, sprechen Deutsch auf muttersprachlichem Niveau und fühlen sich aufgrund ihrer Auslandserfahrung westeuropäischen rechtlichen Standards verpflichtet. Gerade dieser Gruppe wendet sich die IRZ in ihrer Arbeit zu, um einen weiteren „Brain Drain" zu verhindern. Denn gerade von den jungen Akademikern können mittelfristig wichtige Impulse zur Überwindung der gegenwärtigen Situation ausgehen.

Bisherige Zusammenarbeit

Der Schwerpunkt der Projektarbeit der IRZ in Bosnien und Herzegowina liegt seit Jahren im Bereich Rechtsstaat und Justiz. Die IRZ unterstützt die Aus- und Weiterbildung im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts an den Juristischen Fakultäten und beiden Richter- und Staatsanwalts-Edukationszentren. In den letzten Jahren kamen darüber hinaus Aktivitäten im Bereich der Erforschung und Rezeption des deutschen Rechts hinzu, die jeweils an Eigeninitiativen von Projektpartnern im Land anknüpfen. Die IRZ unterstützt die Arbeit der deutsch-bosnisch-herzegowinischen Juristenvereinigung (DBHJV) und veranstaltet den seit 2009 jährlich stattfindenden „Tag des deutschen Rechts in Bosnien und Herzegowina". Außerdem begleitet die IRZ das „Deutschrechtliche Begleitstudium" an der Juristischen Fakultät in Sarajevo, zu dessen Unterstützung 2012 die „IRZ-Bibliothek des deutschen Rechts an der Juristischen Fakultät in Sarajevo" eingerichtet wurde. Schließlich hat die IRZ in den letzten Jahren eine Reihe juristischer Publikationen in der Landessprache herausgegeben, die sich auch an Juristen in anderen Ländern der Region richten. Nicht zuletzt bleibt das Thema Menschenrechte im Post-Konflikt-Gebiet Bosnien und Herzegowina weiterhin auf der Agenda der IRZ. Dieses Thema wurde 2013 durch Einbindung des Landes in ein entsprechendes Projekt intensiviert, das durch das Auswärtige Amt gefördert wurde.

Wichtige Partner

  • Fortbildungszentren für Richter und Staatsanwälte beider Entitäten
  • Deutsch-bosnisch-herzegowinische Juristenvereinigung (DBHJV)
  • Juristische Fakultäten der Universitäten Mostar, Sarajevo und Pale
  • Rechtsberatungsorganisation „Vaša Prava"
  • Rechtsanwaltskammer der Föderation Bosnien und Herzegowina
  • Justizministerium des Dachstaates sowie der Entitäten
  • Germanistische Fakultät der Universität Sarajevo

Bisherige Zusammenarbeit – Strategie

Auch in Zukunft wird die IRZ den Schwerpunkt auf die Aus- und Weiterbildung von Juristen insbesondere im Zivil- und Zivilprozessrecht legen. Im Mittelpunkt stehen die Vermittlung und Verbesserung allgemeiner juristischer Fähigkeiten sowie des speziellen Fachwissens in besonders praxisrelevanten Gebieten. Dabei bezieht die IRZ von Fall zu Fall auch Teilnehmer aus den Nachbarländern ein. An die traditionellen Verbindungen von Bosnien und Herzegowina zu Deutschland knüpft die IRZ durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit den oben genannten Partnern an. In diesem Rahmen werden u.a. Publikationen mit Bezug zum deutschen Recht herausgegeben, „Tage des deutschen Rechts in Bosnien und Herzegowina" veranstaltet und das Ergänzungsstudium im deutschen Recht an der Juristischen Fakultät Sarajevo mitausgerichtet.

Tätigkeitsschwerpunkte 2013

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzung

  • 5. Tag des deutschen Rechts in Bosnien und Herzegowina mit dem Thema „Europäisches Antidiskriminierungsrecht" in Pale
  • Konferenz in Zusammenarbeit mit der Legal Aid Organisation „Vaša Prava" zu den europäischen Antidiskriminierungsstandards als Teil eines vom Auswärtigen Amt mit Mitteln zur Förderung der Menschenrechte unterstützten Regionalprojekts
  • Dabei auch Vorstellung der Buchpublikation „Praktische Einführung in die europäischen Antidiskriminierungsstandards"
  • Bereitstellung dieser Publikation auf der Website von "Vaša Prava"

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Seminare im Ausbildungsprogramm der Justizfortbildungszentren:
    • „Fragen des anzuwendenden Rechts bei grenzüberschreitenden
    • Verträgen" in Sarajevo
    • „Sachenrecht" in Banja Luka
    • „Insolvenzrecht" in Banja Luka
    • „Gutglaubenserwerb im Immobilienrecht" in Sarajevo
  • Teilnahme eines bosnisch-herzegowinischen Juristen an der Konferenz „Die Harmonisierung des Versicherungsrechts" in Palic
  • Teilnahme bosnisch-herzegowinischer Juristen an der 16. Kartell-konferenz in Berlin

Öffentliches Recht

  • Mitarbeit im von der deutschen Botschaft in Bosnien und Herzegowina ins Leben gerufenen Arbeitskreis zu Rechtsstaatsfragen, an dem sich auch GIZ und die deutsch-bosnisch-herzegowinische Juristenvereinigung e.V. (DBHJV) beteiligen
  • Seminar im Ausbildungsprogramm des Justizfortbildungszentrums für Richter und Staatsanwälte zum Thema „Anwendung des europäischen Rechts durch nationale Gerichte" in Sarajevo

Aus- und Fortbildung

  • Fortführung des „Deutschrechtlichen Ergänzungsstudiums an der Juristischen Fakultät Sarajevo" durch regelmäßige Vorlesungen in deutscher Sprache durch inländische Dozentinnen und Dozenten und Blockvorlesung deutscher Referentinnen und Referenten
  • Weiterer Ausbau der „IRZ-Bibliothek des deutschen Rechts an der Juristischen Fakultät Sarajevo", der insbesondere durch eine großzügige Spende des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sowie der juris GmbH (Zurverfügungstellung eines kostenlosen Anschlusses an die juris Datenbank) möglich wurde
  • Fachsprachenkurs „Rechtsterminologie" zusammen mit dem DAAD an der Juristischen Fakultät Sarajevo
  • Herausgabe zweier weiterer Ausgaben der Zeitschrift „Nova pravna revija" („Neue juristische Rundschau – Zeitschrift für regionales, deutsches und europäisches Recht")
  • Vertrieb der elektronischen Version dieser Zeitschriften über die Website des Hohen Justiz-und Staatsanwaltsrats Bosnien und Herzegowina sowie weiterer Internetseiten der Region
  • Konferenz zum Thema „Kinderrechte in der Gesetzgebung und Praxis" in Mostar
  • Bosnisch-serbischer studentischer und wissenschaftlicher Austausch anlässlich der Harmonius Winterschule zu aktuellen EU-rechtlichen Themen auf Zlatibor, Serbien
  • Teilnahme von bosnisch-herzegowinischen deutschsprechenden jungen Juristen und Studenten an der Sommerschule „Deutsches Recht" in Brühl
  • Teilnahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justizfortbildungszentren an dem regionalen Workshop „Aus- und Weiterbildung von Referendaren, Richtern und Staatsanwälten – Erfahrung in der Entwicklung und Umsetzung von Ausbildungsprogrammen" in Podgorica
  • Distribution weiterer, von der IRZ mitherausgegebener regionaler Fachpublikationen an ausgewählte Projektpartner in Bosnien und Herzegowina

Ausblick

Die IRZ setzt ihre Projektarbeit in Bosnien und Herzegowina in enger Abstimmung mit ihren Partnern fort. Sie wird sich weiter als Mitherausgeberin verschiedener juristischer Fachpublikationen betätigen, die auch im Internet veröffentlicht werden und sich an eine Leserschaft in der gesamten Region wenden. Außerdem wird die IRZ das Begleitstudium im deutschen Recht an der Juristischen Fakultät Sarajevo und die dortige IRZ-Bibliothek weiter ausbauen sowie das Kursprogramm zur deutschen Rechtsterminologie fortführen. Im Zentrum werden dabei wie bisher die Ausrichtung am deutschen Recht als der eigenen Rechtstradition entsprechendes Orientierungsrecht, die Menschenrechte sowie die Förderung des juristischen Nachwuchses und der regionalen Kooperation stehen.