Erfahrungsaustausch über verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen

Vortrag des Präsidenten des Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt a.D. Winfried Schubert (2. v. links).
Vortrag des Präsidenten des Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt a.D. Winfried Schubert (2. v. links).
Jordanien

Im Rahmen der institutionellen Förderung des Bundesministeriums der Justiz veranstaltete die IRZ in Kooperation mit dem jordanischen Verfassungsgericht einen Erfahrungsaustausch zum Thema verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen und die Wirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen in Jordanien und Deutschland.

Das jordanische Verfassungsgericht nahm 2012 seine Arbeit auf, zuvor war es Aufgabe der ordentlichen Gerichte die jordanische Verfassung von 1952 auszulegen. Um weiterhin bestehenden Unsicherheiten und Fragen aus dem Weg zu räumen, setzt die IRZ ihre kooperativen Beratungen fort. Die Veranstaltung ist Teil dieser Aktivitäten.

Ähnlichkeiten der Gesetzesauslegung in Deutschland und Jordanien

Im Rahmen der Veranstaltung am 8. März 2023 gab Prof. Dr. Mayssa Baydoun, Richterin am jordanischen Verfassungsgericht, einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Mechanismen der verfassungskonformen Gesetzesauslegung im Land. Dabei wurden viele Ähnlichkeiten zur Gesetzesauslegung in Deutschland deutlich. Die Richterinnen und Richter wenden im Wesentlichen die teleologische, historische, grammatikalische und systematische Auslegungsmethode an.

Winfried Schubert, Präsident des Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt a. D., stellte die verfassungskonforme Gesetzesauslegung genau vor. Dabei wies es insbesondere auf Artikel 1 Abs. 3 Grundgesetz hin, welcher die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die Verfassung bindet. Er bekräftigte die Tatsache, dass die Verfassung als lebendiger Gesetzestext wahrgenommen werden sollte, der auf der Grundlage der aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung stetig weiterentwickelt wird. Zudem gab er einen Einblick in die verschiedenen Möglichkeiten des Gerichts zur Überprüfung der Gesetze und die Rechtsfolgen, sofern ein Gesetz für nichtig oder teilnichtig erklärt wird.

Der zweite Teil des Seminartags fokussierte sich auf die Wirkung verfassungsgerichtlicher Urteile. Dr. Akram Mosaada, ebenfalls Richter am jordanischen Verfassungsgericht, wies auf die Problemstellung der Durchsetzbarkeit verfassungsgerichtlicher Urteile im fiskalischen Bereich hin. Besondere Herausforderungen ergeben sich beispielsweise, wenn ein einschlägiges Gesetz etwa im Bereich des Steuerrechts im Rahmen eines Urteils für nichtig erklärt wird und infolgedessen Rückzahlungsansprüche entstehen.

Der Erfahrungsaustausch fand seinen Abschluss mit einem weiteren Vortrag von Winfried Schubert über die Wirkung verfassungsgerichtlicher Urteile in Deutschland. In dem Zusammenhang betonte er die Wichtigkeit der Einheit der Rechtsordnung und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts als Superrevisionsinstanz.

Die IRZ dankt den Expertinnen und Experten sowie den Teilnehmenden des jordanischen Verfassungsgerichts für den lebhaften, diskussionsfreudigen und zielführenden Austausch und freut sich auf die weiteren Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem jordanischen Verfassungsgericht.