Jordanien – Jahresbericht 2023

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Das Haschemitische Königreich Jordanien ist ein wichtiger Partner der Europäischen Union und nimmt zugleich eine zentrale Funktion in der Region ein. Das Land pflegt gute Beziehungen sowohl zur palästinensischen Führung als auch zu Israel und spielt damit eine bedeutsame Rolle als Vermittler im Nahostkonflikt.

Die politische und wirtschaftliche Stabilität Jordaniens ist eng mit der Situation in seiner Nachbarschaft verbunden. Seit der Zeit nach der Unabhängigkeit bis zum Arabischen Frühling 2011 haben sich in der Region bedeutende politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Veränderungen ereignet, die auch die jordanische Politik und ihre vitalen Interessen beeinflusst haben. Angesichts der Transformationsprozesse, aber auch der Auseinandersetzungen in den Nachbarstaaten steht Jordanien – sowohl intern als auch extern – vor komplexen Herausforderungen und muss schwierige Entscheidungen treffen, um sich anzupassen.

Im Jahr 2023 wurden zahlreiche Veränderungen implementiert, um die politischen Rahmenbedingungen in Jordanien demokratischer und partizipativer zu gestalten. Basierend auf den Empfehlungen des königlichen Komitees („Königliches Komitee für Politische Modernisierung“), welches König Abdullah II. 2021 einberufen hat, wurden einige Reformen eingeleitet, die das Land politisch und wirtschaftlich modernisieren sollen. Hierzu gehören beispielsweise die jüngsten Änderungen der Verfassung, des Parteiengesetzes und des Wahlgesetzes. Eine bemerkenswerte Veränderung war auch die Erhöhung der Sitze, die für Frauen in den lokalen Listen reserviert sind, auf 18 Sitze. Zusätzlich zu den bisherigen Direktwahlkreisen sind bei den kommenden Parlamentswahlen auch nationale Listen vorgesehen, die ausschließlich für Parteien reserviert sind.
Im rechtspolitischen Bereich legt die Justizstrategie von 2022 die Reformbestrebungen der jordanischen Justiz für die Jahre 2022 bis 2026 fest. Ziel ist es, Gerichtsverfahren und Arbeitsprozesse effizienter und wirksamer zu gestalten. Dabei stehen die Beschleunigung von Verfahren und die Verbesserung der vorhandenen Ressourcen in der Zivilgerichtsbarkeit im Mittelpunkt. So liegt der Fokus auf der Verbesserung der Qualifikationen von Beamtinnen und Beamten des Justizministeriums (auch auf administrativer Ebene) sowie dem Ausbau und der Spezialisierung der Richterschaft in der Zivilgerichtsbarkeit einschließlich der Mediation.

Des Weiteren will Jordanien im Rahmen der Strategie Maßnahmen beschließen, die zur einer Effizienzsteigerung im Bereich des Handelsrechts führen. Hierzu zählt das Vorhaben, die für Handelssachen zuständigen Wirtschaftskammern in den Gerichten auszubauen und leistungsfähiger zu gestalten. Dabei soll der zunehmenden Bedeutung des E-Commerce Rechnung getragen werden. Dies soll das Management von juristischen und administrativen Ressourcen im Bereich des Handelsrechts verbessern und einer erheblichen Beschleunigung und Erleichterung von Geschäftstätigkeiten in Jordanien dienen.

Außerdem trat 2023 das neue Investitionsklimagesetz in Kraft, welches die Investitionsbedingungen in Jordanien durch Festlegung der Rechte und Pflichten von Investoren, Garantien ihrer Gleichbehandlung, Sicherstellung eines stabilen rechtlichen Rahmens und die Erleichterung von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durch einen Bürokratieabbau verbessern soll. Diese Stoßrichtung soll Jordanien für ausländische Investoren attraktiver machen, um die Wirtschaft anzukurbeln und ggf. der hohen Arbeitslosenquote entgegen zu wirken. Diese stieg 2023 auf 22,3 Prozent und blieb damit deutlich über dem Durchschnitt von 15 Prozent vor der COVID-19 Pandemie, wobei Jugendliche (46 Prozent) und Frauen (30 Prozent) am stärksten betroffen sind.

2023 erließ Jordanien zudem ein neues, die bisherigen Regelungen ersetzendes Gesetz zur Cyberkriminalität, das für mehr Sicherheit im Internet und für den Schutz der Privatsphäre sorgen soll. Aufgrund von vagen Formulierungen befürchten allerdings einige Beobachter (so unter anderem die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Liz Throssell, und das EEAS-Presse-Team), dass durch das Gesetz auch die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden könnte.

Konzeption

Seit der Aufnahme der Projektarbeit in Jordanien im Jahr 2006 unterstützt die IRZ verschiedene Institutionen der jordanischen Justiz durch Fortbildungs-, Trainings- und Beratungsmaßnahmen. 2023 startete die IRZ die Zusammenarbeit mit dem im Jahr 2021 ins Leben gerufenen jordanischen Investitionsministerium. Themen des Wirtschaftsrechts liegen im Mittelpunkt der Reformbestrebungen der jordanischen Regierung, wie auch das neue Investitionsklimagesetz zeigt. Daher konzentriert sich die IRZ in der Zusammenarbeit auf diese Themen.

Außerdem kam in diesem Jahr ein durch das Auswärtige Amt finanziertes Projekt zur „Förderung der Rechtssicherheit: Unterstützung strafrechtlicher Reformen in Jordanien“ zum Abschluss. Ziel des Projektes war es, einen Beitrag zur Steigerung von Effizienz und Transparenz im jordanischen Strafverfahren zu leisten. Ein besonderer Fokus wurde in diesem Jahr auf Wunsch der jordanischen Partner auf die Themen „Menschenhandel“,

„Geldwäsche“ und „Cyberkriminalität“ gelegt. Im Rahmen der institutionellen Förderung durch das Bundesministerium der Justiz organisierte die IRZ eine Veranstaltung zum Thema „Cybercrime“ mit dem Schwerpunkt „Hasskriminalität“.

Tätigkeitsschwerpunkte 2023

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Erfahrungsaustausch zur verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen und zur Wirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen in Jordanien und Deutschland
  • Erfahrungsaustausch zur Harmonisierung der Gesetzgebung mit internationalen Menschenrechtsstandards

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Auftaktworkshop zu Fragen des Investitionsklimas und der Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen

Öffentliches Recht

  • Erfahrungsaustausch zum Verwaltungsverfahrensrecht

Rechtspflege

  • Expertengespräch zur Erarbeitung von Gesetzentwürfen und Gesetzgebungstechniken
  • Fachgespräche über das Recht auf ein faires Verfahren
  • Erfahrungsaustausch zur Beweiskraft digitaler Dokumente vor Gericht
  • Fachgespräch zu Fragen der Digitalisierung der Justiz, insbesondere der E-Akte und der datenschutzkonformen Kommunikation

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Seminar zum Thema „Umgang mit minderjährigen Inhaftierten und Aufbau eines effektiven Vollzugsplansystems“
  • Erfahrungsaustausch zur Bekämpfung von Cyberkriminalität

Im Rahmen der Projektförderung des Auswärtigen Amts zum Thema „Förderung der Rechtssicherheit: Unterstützung strafrechtlicher Reformen in Jordanien“ wurden daneben folgende Veranstaltungen durchgeführt:

  • Seminar zur Transparenz innerhalb des Justizsystems mit dem Schwerpunkt Strafverfahren
  • „Training of Trainers“ zum Thema: „Tatsachenfeststellung bei Gericht und Techniken der Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten in Strafverfahren“
  • „Training of Trainers“ zu Fragen von „Ermittlungsverfahren und dessen Besonderheiten in Menschenhandels- und Geldwäschefällen“
  • Studienreise einer jordanischen Delegation nach Berlin zum Thema Effizienzsteigerung im Strafverfahren
  • Erfahrungsaustausch zu Geldwäsche und Cyberkriminalität
  • Arbeitsgruppentreffen in Amman: Digitalisierungsbestrebungen innerhalb des Strafverfahrens und Evaluation des Projekts

Ausblick

Auch im kommenden Jahr wird die IRZ die Zusammenarbeit mit ihren jordanischen Partnerinstitutionen fortsetzen. Insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Investitionsministerium soll vertieft werden, die Durchführung mehrerer Maßnahmen im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts ist hierzu angedacht.

Das Justizministerium, der Hohe Justizrat und die jordanische Justizakademie bleiben wichtige Projektpartner. Die Kooperation konzentriert sich hier auf die Aus- und Fortbildung der Richterschaft durch Weiterbildungsseminare und Trainings im Bereich des Zivil- und Strafrechts.