Am 27. Mai 2021 veranstalte die Legal Aid Organisation Vaša Prava in Zusammenarbeit mit der IRZ ein Seminar zu den Rechten von Geflüchteten. Die 25 Teilnehmenden aus der Arbeit mit Geflüchteten kamen aus Nichtregierungsorganisationen, dem Büro des Ombudsmanns sowie Ministerien.
Im ersten Teil der Veranstaltung stellte Rechtsanwältin Amra Kadrić, die bei Vaša Prava Geflüchtete berät, die aktuelle Situation dar. Die Referentin erläuterte, dass es aufgrund der geografischen Lage von Bosnien und Herzegowina als Transitland und der Irregularität bei den Ein- und Ausreisen kaum belastbare Zahlen über Geflüchtete im Land gäbe. In ihrem Vortrag thematisierte sie auch Verletzungen der Rechte von Geflüchteten. Sie sprach an, dass viele Geflüchtete, die Anspruch auf Asyl hätten, lediglich subsidiären Schutz erhielten und dass es Probleme bei der Gewährung des Rechts auf Bildung gäbe. Amra Kadrić betonte aber auch, dass sich Bosnien und Herzegowinas Gesetzgebung stark an europäischen Normen orientiere.
Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte Rechtsanwalt Holger Hembach anhand von internationalen und regionalen Konventionen die rechtliche Stellung von Geflüchteten dar. Als früherer Mitarbeiter der OSZE im Bereich der Menschenrechte in der Westbalkanregion und Autor eines Fachbuchs zur Beschwerde vor dem EGMR ist Holger Hembach ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet. Zudem vertritt er Mandantinnen und Mandanten vor dem EGMR. Bei den Teilnehmenden des Seminars stießen besonders die folgenden seiner Ausführungen auf großes Interesse:
die Entscheidungen internationaler Gerichte zum Umgang mit Geflüchteten in Transitzonen,
die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Geflüchteten sowie
ein Urteil des EGMR zu Fragen des Asylantrags.
In der angeregten Diskussion betonten die Teilnehmenden, dass es trotz bedeutender Probleme in Bosnien und Herzegowina einen humanen Umgang mit Geflüchteten gäbe. Der Geschäftsführer von Vaša Prava, Emir Prcanović, betonte in seinen Schlussworten aber auch, dass noch viel mehr erreicht werden könne, wenn alle an einem Strang zögen.
Am 24. Februar 2021 veranstaltete das Edukationszentrum für Richter und Staatsanwälte der Föderation Bosnien und Herzegowina (CEST FBiH) gemeinsam mit der IRZ ein Online-Seminar zum Thema „Richterliche Ethik und Praxis des Disziplinarverfahrens“. An der Veranstaltung nahmen 69 Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte teil. Die hohe Zahl der Teilnehmenden unterstreicht die große Bedeutung des Themas.
Für das CEST FBiH eröffnete die Veranstaltung Dr. Davor Trlin, für die IRZ übernahm dies Projektbereichsleiter Dr. Stefan Pürner. Referent des Seminars war der ehemalige Präsident des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt sowie des Oberlandesgerichts Naumburg und langjährige Oberstaatsanwalt, Winfried Schubert.
Im ersten Abschnitt seines zweiteiligen Vortrags schilderte Winfried Schubert die Funktionsweisen des Disziplinarverfahrens für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland anhand von Praxisbeispielen.
Der zweite Teil seines Vortrags fokussierte auf die richterliche Ethik. Der Referent zeigte auf, dass es beim angemessenen Verhalten nicht nur um Sachverhalte geht, die Gegenstand eines Disziplinarverfahrens werden könnten. Winfried Schubert sprach über das richterliche Selbstbild und die Gefahr der Selbstgerechtigkeit von Richterinnen und Richtern. Ebenso thematisierte er die Gefahr, dass diese sich bei Entscheidungen von ihrem persönlichen moralischen Verständnis leiten lassen könnten, anstatt die Gesetze auszulegen. Zur Bewältigung der genannten Herausforderungen betonte Referent Winfried Schubert die große Bedeutung eines realistischen Selbstverständnisses und Selbstbilds.
Am 11. Dezember 2020 organisierte die IRZ gemeinsam mit dem Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina die Regionalkonferenz „Sondervoten in der Verfassungsrechtsprechung“. An der Online-Veranstaltung beteiligten sich auch Richterinnen und Richter der Verfassungsgerichte Kroatiens, Montenegros, Nordmazedoniens, Serbiens und Sloweniens.
Im ersten Teil der Konferenz stellten die Referentin und die Referenten die Möglichkeit zu Sondervoten in der Rechtsprechung der beteiligten Verfassungsgerichte und die diesbezügliche Praxis dar. Hierzu sprachen:
Zlatko M. Knežević, Präsident des Verfassungsgerichts Bosnien und Herzegowina
Hamdija Šarkinović, kommissarischer Leiter des Verfassungsgerichts Montenegro
Dr. Mato Arlović, Richter am Verfassungsgericht Kroatien
Sali Murati, Präsident des Verfassungsgerichts Nordmazedonien
Prof. Dr. Rajko Knez, Präsident des Verfassungsgerichts Slowenien
Snežana Marković, Präsidentin des Verfassungsgerichts Serbien
Die deutsche Sicht stellte Prof. Dr. Michael Eichberger, Bundesverfassungsrichter a. D., dar. Die Vorträge arbeiteten viele Gemeinsamkeiten, aber auch unterschiedliche Positionen heraus, was Anlass für eine intensive Diskussion und einen lebhaften Erfahrungsaustausch war.
Gemeinsam ist allen bei der Konferenz vertretenen Verfassungsgerichten die in der Region noch relativ neue Möglichkeit eines Sondervotums. Das können Sondervoten sein, die von der Mehrheitsentscheidung abweichen, oder auch solche, in denen ausschließlich ein alternativer Begründungsweg dargelegt wird.
Die Teilnehmenden hoben als positiv hervor, dass allein die Ankündigung eines Sondervotums durch eine Richterin oder einen Richter die Diskussion in dem betreffenden Senat intensiviert und die Mehrheit zu einer sehr fundierten Begründung veranlasst. Sie berichteten auch von Fällen, in denen die Mehrheit durch die Auseinandersetzung mit einem Sondervotum zur Revision ihrer ursprünglichen Meinung veranlasst wurde. Da sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in Einzelfällen bei der Überprüfung entsprechender Entscheidungen dem Sondervotum und nicht der Mehrheitsmeinung anschließt, könne zudem ein abweichendes Votum die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der zu prüfenden Rechtsfrage fördern. Sondervoten könnten jedoch auch nachteilige Wirkungen haben, zum Beispiel wenn in der Medienberichterstattung der Eindruck erweckt werde, dass ein Verfassungsgericht zerstritten sei. Einigkeit herrschte unter den Teilnehmenden deshalb darüber, dass Sondervoten den seltenen Fällen vorbehalten sein sollten, in denen eine Richterin oder ein Richter es aus grundsätzlichen Erwägungen nicht vertreten kann, mit der Meinung der Mehrheit identifiziert zu werden. Keinesfalls sollten Sondervoten dazu genutzt werden, sich beispielsweise mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl oder die Fortsetzung einer Karriere nach Ablauf des richterlichen Mandats bei bestimmten politischen Richtungen zu empfehlen.
Zum Hintergrund
Die IRZ richtet die jährliche Regionalkonferenz zum Verfassungsrecht, die vom Auswärtigen Amt (AA) finanziert wird, abwechselnd mit den Verfassungsgerichten von Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien oder Montenegro aus.