Moldau - Jahresbericht 2019

Vierte Ausbildungsmaßnahme zur Implementierung des Verwaltungskodexes in Chişinău: IRZ-Experte Georg Schmidt, Präsident des Verwaltungsgerichts Trier, diskutiert mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
Vierte Ausbildungsmaßnahme zur Implementierung des Verwaltungskodexes in Chişinău: IRZ-Experte Georg Schmidt, Präsident des Verwaltungsgerichts Trier, diskutiert mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Auch drei Jahre nach dem Inkrafttreten des EU-Assoziierungsabkommens mit der vertieften und umfassenden Freihandelszone herrscht in der Republik Moldau weder politische Stabilität, noch konnte bisher der langersehnte Wohlstand herbeigeführt werden. In dem Land, das sich im politischen Spannungsfeld zwischen Russland und Europa befindet, gehören politische Korruption und eine durch Armut belastete Gesellschaft weiterhin zur Tagesordnung. Wichtige politische Ereignisse 2019 waren die Parlamentswahlen am 24. Februar, durch die die bisher regierende Partei der Demokraten abgelöst wurde. Drei Monate nach den Parlamentswahlen taten sich der pro-europäische Parteienblock ACUM und die pro-russische sozialistische Partei (PSRM) nach langwierigen Verhandlungen zu einem Bündnis zusammen, um sich gegen den Oligarchen des Landes zu stellen. Das moldauische Parlament wählte im Frühjahr in einer dramatischen Abstimmung und gegen den erklärten Willen des Verfassungsgerichts Maia Sandu von ACUM zur neuen Ministerpräsidentin. Nachdem Mitte November 2019 die Regierungskoalition nach nur kurzer Amtszeit auf Grundlage eines Misstrauensvotums abgesetzt worden war, bildeten die Partei der Sozialisten (PSRM) und die Demokratische Partei (PDM) bereits am 14. November 2019 eine neue Regierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Ion Chicu. Die unsicheren politischen Verhältnisse und die vielen personellen Veränderungen im Justizbereich führten auch nach den Wahlen zu Verzögerungen in der Zusammenarbeit der IRZ mit Moldau. Noch ist unklar, ob und wie die neue Regierung die Reformvorhaben der früheren Regierung von Ministerpräsidentin Sandu fortführen wird.

Konzeption

Die IRZ hat ihre Tätigkeit in der Republik Moldau im Jahr 2005 aufgenommen und begleitet seitdem die moldauischen Partnerinstitutionen bei umfassenden Justizreformen. Partner der IRZ in Moldau sind dabei u.a. das Parlament, das Justizministerium, das Oberste Gericht, das Justizvollzugsamt, der Richterverein, der Oberste Justizrat und die Akademie der öffentlichen Verwaltung. Auch mit dem Verfassungsgericht arbeitete die IRZ in der Vergangenheit zusammen.

Ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit der IRZ in Moldau ist seit langem die Verwaltungsrechtsreform. Der aus einem verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsprozessrechtlichen Teil bestehende Verwaltungskodex trat nach über zehnjährigen intensiven Beratungen am 1. April 2019 in Kraft. Der Verwaltungskodex sieht die Errichtung von spezialisierten Kammern bei den ordentlichen Gerichten vor. Der Fokus bei der Implementierung des Kodexes liegt auf der Aus- und Fortbildung von zukünftigen Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichtern, Beamtinnen und Beamten sowie Studierenden. Hierbei besteht langfristiger Beratungsbedarf.

Ein weiterer Schwerpunkt sind die Beratungen zum Gesetzentwurf des Justizvollzugs in der Republik Moldau. Im Rahmen verschiedener Klausurtagungen konnte die IRZ die Arbeitsgruppe zum Gesetzentwurf abschließend beraten, sodass der Entwurf zur Begutachtung der moldauischen Regierung vorgelegt werden konnte. Er wurde jedoch aufgrund der innenpolitischen Situation noch nicht weiterverfolgt.

Außerdem unterstützte die IRZ längere Zeit mit Beratungen bei der Reform des moldauischen Strafprozessgesetzes. Auch hier konnten die Arbeiten aus den genannten politischen Gründen nicht fortgeführt werden. Aufgrund bestehender Defizite in der Rechtsanwendungspraxis unterstützt die IRZ zudem die Ansätze zur Verbesserung richterlicher Arbeitstechniken sowie die Bemühungen zu mehr Transparenz und Qualität von Gerichtsurteilen.

Tätigkeitsschwerpunkte 2019

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Trilateraler Arbeitsbesuch zum Verbraucherschutz in Berlin (für Moldau, Ukraine, Belarus)
  • Erstellung eines Handbuchs zur Relations- und Urteilstechnik in Zivilverfahren

Öffentliches Recht

  • Vier aufeinander aufbauende Ausbildungsmaßnahmen zur Implementierung des Verwaltungskodexes in Chişinău
  • Entwicklung eines Fortbildungsleitfadens zum Verwaltungskodex
  • Stellungnahme zu den Änderungen am Verwaltungskodex

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Schriftliche Begutachtung und Übersetzung des neuen Gesetzentwurfs zum Justizvollzug
  • Klausurtagung zur Reformierung des Justizvollzugsgesetzes in Chişinău
  • Praxisorientierte Ausbildungsmaßnahme für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zu errichtenden Einweisungsabteilungen (EWA) in Goian
  • Fortsetzung der Klausurtagung zur Reformierung des Justizvollzugsgesetzes in Chişinău
  • Erstberatung der Untersuchungskommission und der Arbeitsgruppe zur Methodologie des Untersuchungsberichts in Chişinău
  • Diskussion und Beratung zum Zwischenergebnis des Berichts der Untersuchungskommission in Chişinău

Von der Europäischen Union finanzierte Projekte

EU-Technical-Assistance-Projekt: Support to the Police Reform in the Republic of Moldova

Die IRZ ist seit Ende 2018 unter der Federführung des belgischen Partners B&S an der Implementierung des Projekts „Support to the Police Reform in the Republic of Moldova“ beteiligt. Mit einem Projektvolumen von knapp 3,7 Millionen Euro und einer Projektdauer von 38 Monaten zielt das Projekt auf eine Angleichung der Polizeiarbeit in Moldau an EU- bzw. internationale Standards ab. Dabei stehen das Innenministerium und die zentrale Polizeidirektion als begünstigte Behörden im Mittelpunkt der Projektarbeit.

Ziele des Projekts

  • Steigerung der Effizienz, Transparenz und Professionalität der Polizei
  • Unterstützung transparenter Auswahl- und Beförderungsverfahren
  • Verbesserung der Aus- und Weiterbildung der Polizeiangehörigen
  • Verbesserung der polizeilichen Vollzugsarbeit
  • Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Behörden
  • Unterstützung des Innenministeriums und der zentralen Polizeidirektion bei der Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit und bei internen Planungs- und Budgetierungsabläufen

Ungeachtet der bereits erwähnten innenpolitischen Turbulenzen und damit einhergehender mehrfacher Wechsel in der Leitung des Innenministeriums und der zentralen moldauischen Polizeidirektion wurden die Bemühungen zur Verbesserung des Polizeiwesens fortgesetzt. Im Rahmen des Projekts fanden bislang rund 20 Trainings und 67 Workshops statt, die insgesamt 1.117 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichten.

Im November 2019 besuchte eine moldauische Polizeidelegation Deutschland und Österreich. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studienreise konnten bei verschiedenen Arbeitstreffen einen Einblick in die Struktur, Organisation und Arbeit u.a. der österreichischen Polizeiakademie und eines bayerischen Polizeipräsidiums gewinnen. Im selben Monat besuchten u.a. hochrangige Beamtinnen und Beamte des nationalen Antikorruptionszentrums und der Staatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung im Rahmen einer Studienreise nach Finnland das finnische Justizministerium sowie die finnische Generalstaatsanwaltschaft.

EU-Twinning-Projekt: Capacity Building of the National Centre for Personal Data Protection of the Republic of Moldova

Das Projekt, dessen Implementierung nach einer dreimonatigen Verlängerung und damit mit einer Gesamtlaufzeit von 27 Monaten im Januar 2020 endet, wurde von der IRZ gemeinsam mit dem lettischen Justizministerium als Juniorpartner erfolgreich durchgeführt. Ziel des Projekts war es, das Nationale Zentrum für Datenschutz der Republik Moldau (NCPDP) dabei zu unterstützen, den persönlichen Datenschutz und die Privatsphäre mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Standards der EU in Einklang zu bringen. Das Projekt bestand aus drei Komponenten:

  • Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung im Bereich des persönlichen Datenschutzes mit dem EU-Acquis, einschließlich der Regelungen der Datenschutzgrundverordnung und der EU-Richtlinie 2016/680
  • Unterstützung des NCPDP und anderer relevanter Institutionen bei der Umsetzung des neuen Datenschutzgesetzes
  • Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie der Personen, die Daten überprüfen und verarbeiten

Im Berichtsjahr wurden die in den drei Komponenten im vergangenen Jahr begonnenen Maßnahmen erfolgreich beendet. Die in dem Projekt eingesetzten Expertinnen und Experten entwickelten gemeinsam mit den moldauischen Partnern Empfehlungen zur Anpassung verschiedener Gesetze und erstellten in Workshops und Seminaren einen Strategieplan zum Schutz personenbezogener Daten und zur Weiterentwicklung des NCPDP bis 2024. In zahlreichen Fortbildungsseminaren machten sich nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NCPDP, sondern auch Bedienstete weiterer Behörden, die sich mit der Thematik Datenschutz auseinandersetzen müssen, mit den Vorgaben der EU vertraut. Auf diese Weise erreichte das Projekt viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der moldauischen öffentlichen Verwaltung. Um einen Einblick in die praktische Umsetzung des Datenschutzes in den europäischen Partnerländern zu bekommen, besuchten moldauische Parlamentarierinnen und Parlamentarier im September Deutschland und Lettland. Im Rahmen der Studienreise führten sie Fachgespräche im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, im Deutschen Bundestag, im Büro des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, im lettischen Parlament und in der lettischen Datenschutzbehörde.

Die Projektpartner entwickelten 2019 in enger Zusammenarbeit mit dem NCPDP Materialien, um die moldauische Bevölkerung für die Themen Datenschutz und personenbezogene Daten zu sensibilisieren und über ihre diesbezüglichen Rechte aufzuklären. Außerdem wurde in diesem Zusammenhang die Website des NCPDP zielgruppengerecht überarbeitet und benutzerfreundlicher gestaltet.

Ausblick

Sobald feststeht, welche Reformen die neue moldauische Regierung verfolgen will, wird die IRZ prüfen, ob und wie sie die moldauischen Partner auch 2020 bei diesen unterstützen kann. Obwohl die dreiphasigen Seminare zur Schulung der moldauischen Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender zum neuen Verwaltungskodex erfolgreich abgeschlossen wurden, wird voraussichtlich weiterhin großer Schulungsbedarf für die Zielgruppen bestehen. Sofern die Reformen des Strafprozessrechts und des Strafvollzugsrechts fortgeführt werden, will die IRZ an die bisherigen Beratungen anknüpfen. Dasselbe gilt für die Themen Verbraucherschutz und Korruptionsbekämpfung. Ein weiterer Themenschwerpunkt bleibt schließlich die Ausbildung des Personals der Einweisungsabteilungen in den Justizvollzugsanstalten. Die Einweisungsabteilungen sind ein wichtiges Element des im April 2017 vom moldauischen Justizministerium vorgestellten Strategiepapiers zur Entwicklung des Justizvollzugs bis 2020.