Serbien - Jahresbericht 2019
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 01. Juli 2020
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Seit Januar 2014 führt die Republik Serbien mit der EU offiziell Beitrittsverhandlungen, im Juli 2016 wurden die Verhandlungskapitel 23 (Justiz und Grundrechte) und 24 (Recht, Freiheit und Sicherheit) eröffnet. Deshalb hat sich der Bedarf an Beratung bei der Harmonisierung des Rechts und Unterstützung bei der Schulung der praktischen Rechtsanwendung noch verstärkt. Nach Auffassung der EU bedarf es zudem besonderer Anstrengungen in den Bereichen Judikative und Grundrechte sowie im Themengebiet Recht, Freiheit und Sicherheit.
Konzeption
Begonnen hat die IRZ die rechtliche Zusammenarbeit mit Serbien im Jahr 2000 im Rahmen des Stabilitätspakts für Südosteuropa. Einen besonderen Schwerpunkt der Zusammenarbeit bildet die langjährige Kooperation mit dem serbischen Verfassungsgericht, die mit der Beratung bei der erfolgreichen Einführung der Verfassungsbeschwerde begann und nun mit der gemeinsamen Ausrichtung regionaler Verfassungsgerichtskonferenzen fortgesetzt wird. Ergänzt werden diese und andere bilaterale Aktivitäten durch Drittmittelprojekte (IPA und Twinning).
Zu den Partnern der IRZ gehören das Justizministerium, das Verfassungsgericht, die juristischen Fakultäten der Universitäten Belgrad und Kragujevac, die Deutsch-Serbische Wirtschaftskammer, die Gesellschaft für die Erforschung des deutschen Rechts und seiner Rezeption sowie das Harmonius-Netzwerk junger Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler, dessen Ziel die Förderung der EU-Rechtsharmonisierung ist.
Die Unterstützung des Landes auf dem Weg in die EU im Sinne der Westbalkan-Strategie der EU ist das Hauptziel der IRZ. Der Fokus liegt auf einer effektiven Gesetzesanwendung, die rechtsstaatlichen Grundsätzen und den europarechtlichen Vorgaben entspricht, und der Beratung entsprechender Gesetzesvorhaben. Die IRZ betont dabei die Bedeutung einer klaren Orientierung an kontinentaleuropäischen Rechtsgrundsätzen und Modellen, um hybride Lösungen zu verhindern. Außerdem stärkt sie die Zusammenarbeit zwischen Juristinnen und Juristen aus Serbien und dessen Nachbarländern.
Tätigkeitsschwerpunkte 2019
Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit
- Teilnahme serbischer Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter an der in Zusammenarbeit mit dem montenegrinischen Verfassungsgericht ausgerichteten regionalen Konferenz „Gewaltenteilung und Gleichgewicht zwischen den Gewalten“ in Podgorica
- Teilnahme serbischer Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter an der regionalen Verfassungsgerichtskonferenz „Die Religionsfreiheit in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung“ in Teslić
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Konferenz „Aktuelles aus der Schiedsgerichtsbarkeit“ zusammen mit der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), der DeutschSerbischen Wirtschaftskammer und der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Belgrad
Rechtspflege
- Beratung des serbischen Justizministeriums mittels eines Expertengesprächs zur Musterfeststellungsklage in Deutschland
- Konferenz zur Rolle der Richterinnen und Richter in Zusammenarbeit mit der serbischen Richtervereinigung
- Zwei Workshops zu den Berufspflichten der Notarinnen und Notare, gemeinsam mit der serbischen Notarkammer und der deutschen Bundesnotarkammer (BNotK)
- Herausgabe der dritten Ausgabe der Zeitschrift „Kontinentales Recht Zeitschrift für nachhaltige und zweckmäßige Rechtsentwicklung“ in Zusammenarbeit mit Belgrader Rechtswissenschaftlern
Aus- und Fortbildung
- Konferenz zum kontinentaleuropäischen Recht mit besonderem Themenblock aus Anlass des 70. Jubiläums des Grundgesetzes, ausgerichtet mit der juristischen Fakultät der Universität Belgrad und dem Institut für Rechtsvergleichung
- Betrieb und Ausbau der Website der Zeitschrift „Kontinentales Recht Zeitschrift für nachhaltige und zweckmäßige Rechtsentwicklung“ (www.kontinentalno-pravo.info)
- Ausrichtung des zweiten regionalen Workshops „Aktuelles aus dem deutschen Recht“ für deutschsprachige IRZ-Alumni aus den Staaten Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien in Belgrad
- Mitveranstaltung der Konferenz „Rechtstransplantate – ‚Ausleihe‘ von Normen oder Kampf um die Vorherrschaft im Recht?“ mit dem Harmonius-Netzwerk und der Justizakademie
- Unterstützung der Studienreise des Masterstudiengangs „Europäische Integration“ an der juristischen Fakultät der Universität Belgrad nach Brüssel, Straßburg und Karlsruhe
- Kurs in deutscher Rechtsterminologie für deutschsprechende Richterinnen und Richter sowie junge Juristinnen und Juristen an der juristischen Fakultät der Universität Belgrad
- Beteiligung deutschsprechender serbischer Studierender an der neunten „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ in Bonn
- Unterstützung der achten Ausgabe der Zeitschrift „Harmonius – Journal of Legal and Social Studies in South East Europe“ in Zusammenarbeit mit dem Harmonius-Netzwer
- Unterstützung der Website des Harmonius-Netzwerks mit umfangreichen Download-Materialien
- Verbreitung von durch die IRZ herausgegebenen, regionalen juristischen Fachpublikationen, insbesondere der regionalen Fachzeitschrift „Nova Pravna Revija“ („Neue Juristische Umschau“), Buchpublikationen und Übersetzungen deutscher Gesetze
- Verbreitung von Literatur zum deutschen und europäischen Recht für einschlägig tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende an den juristischen Fakultäten Belgrad und Kragujevac sowie am Institut für Rechtsvergleichung
- Teilnahme einer Doktorandin der juristischen Fakultät Kragujevac an einem Kurs in deutscher Rechtsterminologie am Goethe-Institut in Bonn
Von der Europäischen Union finanzierte Projekte
EU-Twinning-Projekt: Protection and Enforcement of Intellectual Property Rights in Serbia
Seit Februar 2019 unterstützt die IRZ als Juniorpartner unter Federführung des Dänischen Patent- und Markenamts (DKPTO) Serbien im Rahmen des EU-Twinning-Projekts beim Schutz des geistigen Eigentums in Serbien. Das Projekt hat eine Gesamtlaufzeit von 24 Monaten bis Ende Januar 2021 und ein Budget von 1,5 Millionen Euro. Sein übergeordnetes Ziel ist die Unterstützung der Republik Serbien bei der Angleichung des Standards für den Schutz und die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums an die bewährten Verfahren der EU.
Die Implementierung des Projekts begann am 1. Februar 2019 und wurde am 29. Mai 2019 mit einem Festakt unter hochrangiger Beteiligung eröffnet. In der ersten Projekthälfte fanden bereits zahlreiche Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit dem serbischen Ministerium für Handel, Tourismus und Telekommunikation statt. Die Expertinnen und Experten der IRZ konnten dabei insbesondere ihre Fachkenntnisse in der ersten Komponente des Projekts einbringen, in der es um die Analyse sowie um Verbesserungsvorschläge der im Bereich des geistigen Eigentums einschlägigen Gesetzgebung ging. Sie unterzogen u.a. die serbischen Gesetze zum E-Commerce, zu Markenrechten sowie die einschlägigen Teile des serbischen Strafgesetzbuchs einer kritischen Analyse im Hinblick auf die EU-Gesetzgebung. Auch gab es bereits erste Beratungen zur Einrichtung einer Online-Informationsplattform für alle mit Produktfälschungen und Verstößen gegen das geistige Eigentum befassten Institutionen.
In der zweiten Hälfte des Projekts sollen unter anderem spezielle OnlineTrainings für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Inspektorinnen und Inspektoren, Zollbeschäftigte und Polizistinnen und Polizisten zur Ermittlung von Schutzrechtsverletzungen im Internet durchgeführt werden, um die Ausbreitung von Produktpiraterie in Serbien effizient zu bekämpfen. Zudem sind mehrere Studienaufenthalte in Dänemark und Deutschland geplant, in denen die serbischen Kolleginnen und Kollegen mit Lösungswegen bei der Ermittlung von Schutzrechtsverletzungen und Beweiserhebungen in Dänemark und Deutschland vertraut gemacht werden sollen.
EU-Twinning-Projekt: Improving capacities and capabilities within the prison system in the Republic of Serbia
Zwischen Juli 2017 und März 2019 unterstützte die IRZ zusammen mit dem österreichischen Juniorpartner Agency for Economic Cooperation and Development (aed) Serbien bei der Reform des Strafvollzugssystems. Das Twinning-Projekt war Teil der von der serbischen Regierung im Dezember 2013 verabschiedeten „Strategie für die Verbesserung des Strafvollzugs in der Republik Serbien bis 2020“. Die Abschlussveranstaltung des Projekts am 20. Februar 2019 fand unter hochrangiger Beteiligung wie die der serbischen Justizministerin Nela Kuburović, des deutschen Botschafters in Serbien, S.E. Thomas Schieb, und des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz der Republik Österreich, Dr. Josef Moser, statt. Sie betonten die große Bedeutung des Projekts für die Verhandlungen Serbiens bezüglich des EU-Beitritts.
Das Twinning-Projekt trug durch den Transfer von Fachwissen und bewährten Praktiken der in den EU-Mitgliedstaaten entwickelten Strafvollzugssysteme dazu bei, das serbische Strafvollzugssystem zu verbessern. Während der zwanzigmonatigen Laufzeit arbeiteten die deutschen und österreichischen Expertinnen und Experten eng mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem serbischen Justizministerium, vor allem mit der Abteilung für die Umsetzung von Strafmaßnahmen, zusammen. Sie konnten eine Reihe von Aus- und Weiterbildungsseminaren, Workshops, Studienreisen und Konferenzen organisieren, die darauf abzielten, die Lebens- und Arbeitsbedingungen im serbischen Strafvollzug sowie die Resozialisierung zu verbessern. Darüber hinaus arbeiteten die Expertinnen und Experten daran, die organisatorischen und technischen Kapazitäten des Centre for Training and Professional Education of the Administration for Enforcement of Penal Sanctions in Niš zu erhöhen. Das Zentrum ist zuständig für die Entwicklung und Umsetzung von Aus- und Weiterbildungsprogrammen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Strafvollzug. Im Rahmen des Projekts konnten sich Bedienstete im Sicherheits-, Therapie- und Gesundheitsbereich des Strafvollzugs weiterbilden. In der Frauenhaftanstalt Požarevac konnten die Insassinnen Aus- und Weiterbildungsangebote wahrnehmen. In den letzten Monaten des Projekts wurden weitere Trainingsprogramme für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte im serbischen Strafvollzug entwickelt und vermittelt sowie eine beträchtliche Anzahl von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet. Des Weiteren wurden viele Manuals, die während des Projekts entstanden waren, ins Serbische übersetzt. Darunter sind auch einige Trainingsmanuals, die bei der weiteren Reform des serbischen Strafvollzugs hilfreich sein werden.
Ausblick
Im Hinblick auf die Kapitel 23 und 24 der EU-Beitrittsverhandlungen und die Westbalkan-Strategie der EU setzt die IRZ die Gesetzgebungsberatung, Seminarreihen und Fortbildungsveranstaltungen mit den oben genannten Partnerorganisationen fort. Geplant ist, die Gesetzgebungsberatung auf die anstehende Reform der Zivilprozessordnung auszudehnen. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit Institutionen sowie einzelnen nationalen Expertinnen und Experten, die sich der kontinentaleuropäischen Rechtstradition sowie der Erforschung des deutschen Rechts und seiner Rezeption widmen, fortgesetzt werden. Ein besonderes Anliegen ist der IRZ weiterhin die Unterstützung des juristischen Nachwuchses.