Serbien – Jahresbericht 2023

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Serbien stellte am 22. Dezember 2009 einen EU-Beitrittsantrag, die Beitrittsverhandlungen begannen am 21. Juni 2014. Gleichwohl verfolgt das Land weiterhin einen unklaren Kurs zwischen Russland und der Europäischen Union. Hinzu kommen innenpolitische Spannungen. Die Protestwelle in der Bevölkerung nach Amokläufen unter anderem an Schulen richtet sich auch gegen die Regierung insgesamt. Die Kosovo-Thematik bleibt weiterhin innenpolitisch umstritten und führte im Sommer 2023 zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Unabhängig davon gibt es viele europaorientierte Organisationen mit Unterstützungsbedarf.

Die Europäische Union sieht einen erhöhten Anpassungsbedarf in den Bereichen „Judikative“ und „Grundrechte“ sowie „Recht, Freiheit und Sicherheit“.

Im April 2022 wurde der amtierende Präsident im Amt bestätigt. Am 17. Dezember 2023 fand neben den turnusmäßigen Lokalwahlen auch eine um drei Jahre vorgezogene Parlamentswahl statt, bei der es sich bereits um die dritte Wahl in weniger als vier Jahren handelte und der Proteste wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten folgten.

Angesichts der Spannungen zwischen Serbien und Kosovo vermitteln der Europäische Auswärtige Dienst gemeinsam mit Deutschland und Frankreich, um die Parteien wieder in einen konstruktiven Dialog zu bringen.

Konzeption

Die IRZ unterstützt Serbien seit 2000 auf dem Weg in die Europäische Union im Sinne der Westbalkan-Strategie. Bei den mit Mitteln des Bundesministeriums der Justiz und des Auswärtigen Amts geförderten Projekten liegt der Fokus auf einer effektiven Gesetzesanwendung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen sowie europarechtlichen Vorgaben. Die IRZ betont dabei die Bedeutung einer klaren Orientierung an kontinentaleuropäischen Rechtsgrundsätzen und Modellen, um hybride Lösungen zu verhindern. Außerdem stärkt sie die Zusammenarbeit zwischen Juristinnen und Juristen aus Serbien und der gesamten Region.

Zu den Partnern der IRZ gehören das Verfassungsgericht, die juristischen Fakultäten der Universitäten Belgrad, Novi Sad und Kragujevac sowie das Institut für Rechtsvergleichung.

Tätigkeitsschwerpunkte 2023

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Teilnahme des Verfassungsgerichts von Serbien an der Abschlusskonferenz des Projekts „Propagierung der Verfassungsbeschwerde als wichtigstes Mittel zum Grundrechtsschutz in Nordmazedonien“, gemeinsam veranstaltet mit dem Verfassungsgericht von Nordmazedonien

Rechtspflege

  • Erstellung und Verteilung der Zeitschrift „Kontinentalno pravo: časopis za održiv i skladan razvoj prava, (Kontinentales Recht: Zeitschrift für nachhaltige und zweckmäßige Rechtsentwicklung); kurz KoPra“, Ausgabe 2023
  • Konferenz „Kontinentaleuropäisches Erbe“ in Belgrad aus Anlass der Vorstellung der neuen Ausgabe 2023 der Zeitschrift „Kontinentalno pravo: časopis za održiv i skladan razvoj prava, (Kontinentales Recht: Zeitschrift für nachhaltige und zweckmäßige Rechtsentwicklung); kurz KoPra“ in Belgrad

Aus- und Fortbildung

  • Studienreise des Studiengangs „Master in European Integration“ der Juristischen Fakultät der Universität Belgrad zu europäischen Institutionen
  • Kurs zum Thema „Rechtsterminologie“ für deutschsprachige Juristinnen und Juristen mit der Juristischen Fakultät Novi Sad im Hybrid-Format mit Abschlusswochenende als Präsenz-Veranstaltung
  • Vorlesung zur Ausbildung von Juristinnen und Juristen in Deutschland an den Juristischen Fakultäten Novi Sad und Kragujevac
  • Jahresworkshop der deutschsprechenden IRZ-Alumni in Belgrad zum Thema „Aktuelles aus dem deutschen Recht“ (gesponsort durch den Verlag C.H. BECK, München)

Von der Europäischen Union finanziertes Projekt

EU-Twinning-Projekt „Reinforcement of consumer protection in Serbia as a response to the new market challenges“

Das EU-Twinning-Projekt „Reinforcement of consumer protection in Serbia as a response to the new market challenges“, welches die IRZ unter Federführung des Wirtschaftsministeriums der Slowakischen Republik durchgeführt hat, wurde im Mai 2023 erfolgreich beendet. Gestartet war das Vorhaben, das sich an das Ministerium für Handel, Tourismus und Telekommunikation der Republik Serbien richtete, im Juni 2021 – noch unter Pandemiebedingungen. Ziel dieses Projekts mit einer Laufzeit von 24 Monaten war es, durch administrative und institutionelle Stärkung im Bereich des Verbraucherschutzes in Serbien sowohl auf die Verpflichtungen, die sich aus der EU-Mitgliedschaft ergeben, als auch auf die Herausforderungen des modernen Marktes angemessen zu reagieren. Das Projekt zielte darauf ab, die institutionellen und administrativen Kapazitäten der relevanten serbischen Akteure im Bereich des Verbraucherschutzes für den Zugang zum Binnenmarkt zu verbessern.

Konkret wurden die Bestimmungen des serbischen Verbraucherschutzgesetzes und die dazugehörigen Verordnungen mit der EU-Gesetzgebung harmonisiert. Die von der IRZ mobilisierten Projektexpertinnen und Projektexperten identifizierten aktuelle gesetzliche Prioritäten, führten eine Lückenanalyse für die bestehende Gesetzgebung durch und bereiteten Gesetz- und Verordnungsentwürfe zum Verbraucherschutz vor.

Ein weiteres Ziel bestand darin, einen Beitrag zur wirksamen rechtlichen Durchsetzung des Verbraucherschutzes im Partnerland zu leisten. Dies geschah durch eine gezielte Verstärkung des institutionellen Aufbaus in Bezug auf grenzüberschreitende Fragen und eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den relevanten Institutionen im Bereich des Verbraucherschutzes.

Daneben entwickelten und leiteten die Kurzzeitexperten-Teams auch Schulungen und Workshops zum Thema ADR (Alternative Dispute Resolution) mit ADR-Institutionen als Zielgruppe, um so nachhaltig zum Aufbau eines funktionierenden ADR-Systems für den Verbraucherschutz in Serbien beizutragen. Ergänzend dazu befasste sich das Projekt mit neuen Marktherausforderungen wie zum Beispiel dem Verbraucherschutz bei Online-Transaktionen und unterstützte damit den Aufbau von Kapazitäten bei den relevanten Akteuren. Mittels der Erstellung und Verbreitung eines Handbuchs wird dabei die Wissensverbreitung auch über das Projektende hinaus gewährleistet.

Ende März reisten eine hochrangige Delegation des Ministeriums für Handel, Tourismus und Telekommunikation sowie Vertreterinnen und Vertretern von serbischen ADR-Organisationen nach Berlin, Kehl und Straßburg. Die Fachgespräche im Bundesministerium der Justiz, im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, in der Verbraucherzentrale Bundesverband, in der Universalschlichtungsstelle des Bundes für Verbraucher in Kehl und im Europäischen Parlament in Straßburg waren Highlights des Projekts. Die Fachkonferenz in Belgrad Mitte Mai 2023, bei der auch die deutschen Juniorprojekt- und Komponentenleiterinnen und -leiter anwesend waren, brachte das Projekt, welches durch eine sehr gute und reibungslose Zusammenarbeit zwischen allen Projektbeteiligten geprägt war, zu einem würdigen Abschluss.

Ausblick

Erschwert wird die Zusammenarbeit mit den offiziellen Stellen in Serbien nach wie vor durch die unklare Haltung des Landes im Ukraine-Konflikt und bezüglich des Kosovo. Deshalb wird sich die IRZ bei ihren Aktivitäten weiterhin auf die Zusammenarbeit mit Rechtsfakultäten konzentrieren.

Die IRZ will außerdem die Zusammenarbeit mit Institutionen und einzelnen nationalen Expertinnen und Experten, die sich der kontinentaleuropäischen Rechtstradition sowie der Erforschung des deutschen Rechts und seiner Rezeption widmen, kontinuierlich stärken.