Ukraine – Jahresbericht 2021
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- Veröffentlicht: Dienstag, 13. September 2022
Rahmenbedingungen
Seit Erstellung dieses Länderberichts hat sich die Lage der Ukraine durch die einseitige militärische Aggression russischer Streitkräfte dramatisch verändert. Nach diesem Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität des Landes ist nicht absehbar, ob oder wann die Ukraine ihren eigenständigen Weg demokratischer rechtsstaatlicher Reformen wird fortsetzen können. Im Folgenden wird ungeachtet dieser Umstände die Kooperation des letzten Jahres dargestellt.
Rechtspolitische Ausgangslage
Im Rahmen der ukrainischen Justizreform wurden zu Mitte des Berichtsjahrs zwei wichtige Gesetze verabschiedet, die eine jeweils mit drei ukrainischen Richterinnen und Richtern und drei internationalen Expertinnen und Experten besetzte Auswahlkommission für den Hohen Richterqualifikationsausschuss und eine Ethikkommission für den Höchsten Rat der Rechtsprechung vorsehen. Diese Kommissionen sollen die Mitglieder und Kandidaten der genannten Institutionen auf ihre Integrität hin überprüfen und somit auch einen wichtigen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung leisten.
Das Justizministerium der Ukraine widmet sich verstärkt der Strafvollzugsreform, die sich an einem menschenwürdigen, rechtsstaatlichen, modernen Strafvollzugssystem orientiert. Schwerpunkte liegen dabei auf der Resozialisierung, der Bewährung und alternativen Strafmaßnahmen sowie der Schaffung eines dualen Systems von Strafvollzugsinspektionen.
Zudem wurde die Reform des Strafgesetzbuchs wie auch des Zivilgesetzbuchs in Angriff genommen. Das lang erwartete Verwaltungsverfahrensgesetz wurde im Herbst 2021 verabschiedet (erneute Verabschiedung am 17. Februar 2022 nach einer durch Präsidenten-Veto notwendig gewordenen nochmaligen Überarbeitung), ebenso wie das Mediationsgesetz.
Konzeption
Die Zusammenarbeit mit der Ukraine wurde im Berichtsjahr 2021 ausschließlich aus den Zuwendungen des Bundesministeriums der Justiz finanziert.
Wie im Jahr zuvor fanden die meisten Veranstaltungen im Online-Format statt.
Ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit waren u.a. die Haager zivilrechtlichen Übereinkommen, vor allem das Haager Zustellungsübereinkommen und das Haager Unterhaltsübereinkommen. In einer Veranstaltungsreihe mit dem Revisionswirtschaftsgericht des Obersten Gerichts wurden zivilrechtliche Themen wie das Gesellschaftsrecht, das Recht des geistigen Eigentums und das Bodenrecht behandelt. Letzteres ist vor allem vor dem Hintergrund der Verabschiedung des Bodenmarktgesetzes im Vorjahr von Interesse. Auch die Zusammenarbeit zum in diesem Zusammenhang besonders wichtigen Notarrecht wurde fortgesetzt. Im Bereich der Mediation wurden die Aspekte in den Blick genommen, die diese Form der außergerichtlichen Streitbeilegung auch im Bereich des Wirtschaftsrechts wie z. B. im IT-Recht leisten kann.
Fortgesetzt wurde auch der fachliche Austausch zur Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Beratungen zum Verwaltungsverfahrensrecht. Die IRZ führte auch die Beratungen zur ukrainischen Strafvollzugsreform fort und stieg im Berichtsjahr zudem in die Beratungen zum Reformentwurf des Strafgesetzbuchs sowie des Zivilgesetzbuchs ein.
Nach wie vor ist der IRZ die Förderung des juristischen Nachwuchses ein Anliegen, sodass – wenn auch noch immer im Online-Format – das Begleitstudium zur Einführung in das deutsche Recht an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw ebenfalls angeboten wurde.
Tätigkeitsschwerpunkte 2021
Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit
- Beitrag zu einer Veröffentlichung des Razumkow-Zentrums zum Thema Volksbefragungen
- Multilaterale Online-Konferenz mit dem Verfassungsgericht der Ukraine aus Anlass des 25. Verfassungstags „Die Ukraine in der europäischen Verfassungsgerichtsbarkeit“
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Multilaterales Online-Rundtischgespräch mit dem Revisionswirtschaftsgericht des Obersten Gerichts zum Gesellschaftsrecht
- Multilaterales Online-Rundtischgespräch mit dem Revisionswirtschaftsgericht des Obersten Gerichts zum geistigen Eigentum
- Multilaterales Online-Rundtischgespräch mit dem Revisionswirtschaftsgericht des Obersten Gerichts zum Bodenrecht
- Online-Fachgespräch mit dem Justizministerium der Ukraine zum Haager Zustellungsübereinkommen
- Online-Fachgespräch mit dem Justizministerium der Ukraine zum Haager Unterhaltsübereinkommen
- Online-Fachgespräch mit der Mediationsakademie der Ukraine zur Mediation im IT-Recht
- Beginn von Beratungen zur Reform des ukrainischen Zivilgesetzbuches
Öffentliches Recht
- Beratungen zum Entwurf des Verwaltungsverfahrensgesetzes der Ukraine
- Mitwirkung an den „IV. Tagen der ukrainischen Verwaltungsgerichtsbarkeit“ zum Wahlrechtsschutz
- Online-Fachgespräch des Berufungsverwaltungsgerichts Lwiw mit dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht
- Multilaterale Online-Konferenz mit dem Revisionsverwaltungsgericht des Obersten Gerichts zur direkten Anwendung der Verfassung durch die Verwaltungsgerichte
Rechtspflege
- Online-Fachgespräch zum Erfahrungsaustausch zwischen Richterinnen und Richtern des Berufungsgerichts Kiew und des Oberlandesgerichts Oldenburg
- Online-Fachgespräch mit dem Justizministerium der Ukraine zur Gesetzgebungstechnik
- Online-Fachgespräch mit der Notarkammer der Ukraine zur Distanzbeurkundung
- Teilnahme einer ukrainischen Mediatorin am „Cross-Border Family Mediation Training“ von MiKK e.V. in Berlin
Straf- und Strafvollzugsrecht
- Online-Fachgespräch mit dem Justizministerium der Ukraine zum Thema „Baukonzepte für zeitgemäße Justizvollzugsanstalten“
- Gutachten zum Allgemeinen Teil des Entwurfs des Strafgesetzbuchs der Ukraine
Aus- und Fortbildung
- Begleitstudium zur Einführung in das deutsche Recht an der Nationalen Iwan-Franko-Universität in Lwiw
- Zwei Forschungsaufenthalte einer Absolventin und eines Absolventen des Begleitstudiums in Lwiw an der Ludwig Maximilians-Universität in München
Ausblick
Abhängig von der Entwicklung der Lage waren bisher folgende Beratungen angedacht. Dazu müssen aber die weiteren Entwicklungen abgewartet werden.
Nach der im Berichtsjahr erfolgten Verabschiedung des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Mediationsgesetzes beabsichtigt die IRZ zu deren IImplementierung zu beraten. Auch zur Reform des Strafgesetzbuchs sowie zur Strafvollzugsreform will die IRZ die Beratungen fortführen, ebenso die Beratungen zur Reform des Zivilgesetzbuchs.
Auf Grundlage eines neu aufgelegten Arbeitsprogramms soll die Zusammenarbeit des Bundesministeriums der Justiz mit dem Justizministerium der Ukraine im Rahmen der Gemeinsamen Erklärung der beiden Ministerien fortgesetzt werden.
Beibehalten werden sollten auch die Richterfortbildungen, dies zum Teil im Rahmen von Gerichtspartnerschaften, sowie die Zusammenarbeit mit den Notarinnen und Notaren.