Usbekistan - Jahresbericht 2018

Studienreise der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Usbekistan zur institutionellen Kapazitätenstärkung und zum Austausch Jugendstrafrecht und zur Korruptionsbekämpfung nach Deutschland: Evgeny Kolenko (Mitte), Leiter der Akademie bei der Generalstaatsanwaltschaft; Dr. Stefan Tratz (rechts daneben), Direktor der Deutschen Richterakademie
Studienreise der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Usbekistan zur institutionellen Kapazitätenstärkung und zum Austausch Jugendstrafrecht und zur Korruptionsbekämpfung nach Deutschland: Evgeny Kolenko (Mitte), Leiter der Akademie bei der Generalstaatsanwaltschaft; Dr. Stefan Tratz (rechts daneben), Direktor der Deutschen Richterakademie

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Der seit Ende 2016 amtierende Präsident Shavkat Mirsijojew hat dem Land auf vielen Gebieten eine Erneuerung mit hohem Reformtempo verordnet: Entwicklung des staatlichen Systems, Erhöhung der Effizienz der Verwaltung, soziale Sicherung, wirtschaftliche Entwicklung, Etablierung außenwirtschaftlicher Kontakte etc. Nach jahrelanger Abschottung stellt sich Usbekistan den Herausforderungen der wirtschaftlichen und kulturellen Globalisierung und öffnet sich durch eine Veränderung des politischen Diskurses, eine Privatisierung und Liberalisierung der Wirtschaft. Freilassung politischer Gefangener, Schaffung eines Petitionswesens und Achtung der Rechte von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten sind nur einige der Beispiele des deutlich wahrnehmbaren Wandels. In den früher eher gespannten Beziehungen zu den Nachbarstaaten hat Usbekistan inzwischen spürbare Annäherungen erreicht. Das Land bemüht sich außerdem aktiv darum, ausländische Investitionen und Technologien anzuziehen und das Land attraktiver für den Tourismus zu machen.

Der Bereich Rechtsstaatlichkeit und Justiz ist privilegiert auf Platz zwei der Entwicklungsstrategie positioniert. Die angestoßenen Transformationsprozesse umfassen die Modernisierung der Gerichtsbarkeit, die Stärkung der Unabhängigkeit der Richterschaft, die Verbesserung des materiellen und prozessualen Zivil-, Straf- und Verwaltungsrechts sowie der juristischen Aus- und Fortbildung und die Förderung der Anwaltschaft. Es wurden Maßnahmen gegen die überbordende Bürokratie und Korruption ergriffen, Umstrukturierungen vorgenommen, ein Richterrat zur Stärkung der justiziellen Selbstverwaltung gebildet und die Neubesetzung von zentralen Funktionen in der Justiz initiiert.

2018 war in Usbekistan das Jahr der Unterstützung aktiven Unternehmertums und innovativer Ideen und Technologien, was in den Rechtsbereich ausstrahlte. In der Folge stufte die Weltbank Usbekistan als einen der 10 aktivsten Reformstaaten ein.

Die neuen Impulse wirken sich positiv auf die internationalen Kontakte des Landes aus. Eine deutliche Intensivierung ist sowohl auf Führungsals auch auf Arbeitsebene zu erkennen und findet ihren Ausdruck in einem intensiven und teilweise sehr hochrangigen Besuchsverkehr.

Konzeption

Das Berichtsjahr wurde in besonderer Art und Weise durch das zehnjährige Bestehen der Kooperation mit der Republik Usbekistan geprägt. Die IRZ nahm 2008 die Zusammenarbeit mit Usbekistan als erstem Land in Zentralasien auf, um beim Aufbau eines Rechtsstaats und bei der Festigung demokratischer Strukturen zu beraten. Die Partner in den vergangenen zehn Jahren umfassten zentrale Justizeinrichtungen wie das Justizministerium und angegliederte Institutionen, die Generalstaatsanwaltschaft, Gerichte, die Staatliche Juristische Universität, verschiedene akademische Institute u. a. Insgesamt hat die IRZ vertrauensvolle und stabile Beziehungen aufgebaut, indem zahlreiche Maßnahmen verschiedener Formate durchgeführt wurden – Fachseminare in beiden Ländern, Studienbesuche, praxisorientierte Workshops, Expertenentsendungen zu Konferenzen u. Ä. Daneben implementierte ein europäisches Konsortium unter der Federführung der IRZ von 2011 bis 2015 ein umfangreiches EU-Projekt zur Verwirklichung der im Strafrecht angestoßenen Reformen.

Die nunmehr zehnjährige Kooperation der IRZ im Land war Anlass für die Reise einer hochrangigen Delegation des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und der IRZ im November 2018 unter Leitung des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz und Vizepräsidenten des Kuratoriums der IRZ, Christian Lange, MdB, nach Usbekistan. Um die bisherige Zusammenarbeit zu würdigen und für die Zukunft zu festigen, richtete die IRZ am 14. November 2018 eine Fachkonferenz zu Herausforderungen einer modernen Strafjustiz und einen Festakt aus. An beiden Veranstaltungen nahmen hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der usbekischen Justiz teil.

Bis heute bildet das Strafrecht einen Schwerpunkt bei der Kooperation mit den Partnern, insbesondere mit der Generalstaatsanwaltschaft und in der Jubiläumskonferenz. Dort gaben usbekische Expertinnen und Experten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Überblick zu den aktuellen Reformvorhaben im Straf- und Strafprozessrecht in Usbekistan.

Weitere wichtige Themen waren die Gewährleistung von Grundrechten im Straf- und Strafprozessrecht sowie die Stärkung der Rolle des Verteidigers im Strafprozess. In einer anschließenden Podiumsdiskussion standen die Vereinfachung und Beschleunigung des Strafverfahrens sowie die Digitalisierung im Ermittlungs- und Strafverfahren im Fokus des Austausches.

Die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der IRZ und der Generalstaatsanwaltschaft mündete in ein Memorandum of Understanding, das im Rahmen des Besuchs unterzeichnet wurde.

Als Training für die juristische Methodenlehre wurde an der Staatlichen Juristischen Universität zu Taschkent eine interaktive Veranstaltungsreihe in Form eines Moot Court zum Straf- und Strafprozessrecht fortgesetzt. Ziel der Veranstaltung war es, mit Studierenden die praktische Umsetzung strafrechtlicher Normen zu üben und den Ablauf des Strafverfahrens in Usbekistan und Deutschland rechtsvergleichend zu analysieren. Durch eine aktive eigene Beteiligung der Studentinnen und Studenten in allen Rollen des fiktiven Prozesses konnten die Rechtsanwendung und die Wichtigkeit des Verfahrensrechts besonders anschaulich vermittelt werden.

Das noch junge Institut für Gesetzgebungsfragen und Parlamentsforschung beim Parlament thematisierte in einem gemeinsamen Seminar mit der GIZ Fragen zur Bürgerbeteiligung bei der Gesetzgebung, rechtsförmliche Anforderungen an Gesetze, Auslegungsfragen und Überlegungen zur Gesetzesfolgenabschätzung mit den deutschen Kolleginnen aus Bundestag und Bundesrat.

Tätigkeitsschwerpunkte 2018

Öffentliches Recht

  • Mitwirkung am Seminar zu Gesetzgebungsprozessen und Gesetzgebungstechnik in Kooperation mit der GIZ und dem Zentrum für Gesetzgebung beim Parlament in Taschkent

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Studienreise für Vertreterinnen und Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft zur institutionellen Kapazitätenstärkung und zum Austausch Jugendstrafrecht und zur Korruptionsbekämpfung nach Deutschland
  • Praktisches Seminar zur Falllösungstechnik einschließlich fiktiver Gerichtsverhandlung im Straf- und Strafprozessrecht für Studierende sowie Dozentinnen und Dozenten der Staatlichen Juristischen Universität in Taschkent
  • Vorlesung und Diskussionsforum zu Grundlagen des deutschen Strafund Strafprozessrechts an der Akademie bei der Generalstaatsanwaltschaft im März in Taschkent
  • Fachkonferenz zu Herausforderungen der modernen Strafjustiz mit der Generalstaatsanwaltschaft mit anschließendem Festakt zum 10-jährigen Bestehen der bilateralen Kooperation im November in Taschkent

Ausblick

Die IRZ wird weiterhin mit den bisherigen Partnern zum Schwerpunkt Straf- und Strafprozessrecht zusammenarbeiten. Die enge erfolgreiche Kooperation mit der Generalstaatsanwaltschaft sowie der Akademie bei der Generalstaatsanwaltschaft wird weiter vertieft werden. Ebenfalls sind Veranstaltungen mit den langjährigen Partnern der IRZ, dem Justizministerium und der Staatlichen Juristischen Universität sowie dem Weiterbildungszentrum für Juristen beim Justizministerium geplant.

Auf dem Gebiet der neu geschaffenen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist eine Zusammenarbeit mit dem Kollegium für verwaltungsrechtliche Streitigkeiten des Obersten Gerichts der Republik Usbekistan in Form von Richterschulungen vorgesehen. In diesem Zusammenhang werden insbesondere praxisbezogene Elemente zur juristischen Aus- und Fortbildung integriert.

Expertise mit praktischem Bezug bleibt im Fokus der inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahmen auch im nächsten Jahr.