Kosovo - Jahresbericht 2019

Hospitation in Deutschland zum Thema Jugendvollzug: Ausbilderinnen und Ausbilder des kosovarischen Jugendvollzugs im Gespräch mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen
Hospitation in Deutschland zum Thema Jugendvollzug: Ausbilderinnen und Ausbilder des kosovarischen Jugendvollzugs im Gespräch mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Kosovo setzte auch 2019 im Rahmen des 2016 in Kraft getretenen Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens seinen Reformkurs mit dem Ziel einer EU-Mitgliedschaft fort. Die Rahmenbedingungen hierfür waren für den jüngsten Staat des Westbalkans innen- und außenpolitisch teils schwierig. Außenpolitisch belastet nach wie vor der Konflikt um die Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos durch Serbien die notwendigen Fortschritte. Der von der EU geführte Vermittlungsdialog zwischen Serbien und Kosovo blieb hier bislang wirkungslos. Serbien besteht nach wie vor darauf, dass Nordkosovo Serbien angegliedert wird, während Kosovo Grenzänderungen grundsätzlich ausschließt. Diesen Standpunkt wird auch die zukünftige Regierung, voraussichtlich mit Premierminister Albin Kurti an der Spitze, vertreten.

Innenpolitisch wurde die rechtspolitische Ausgangslage in Kosovo durch die vorgezogenen Neuwahlen des Parlaments am 6. Oktober 2019 bestimmt. Die dritte Parlamentswahl innerhalb von fünf Jahren war notwendig geworden, nachdem der bis dahin regierende Ministerpräsident Ramush Haradinaj von der Demokratischen Partei (PDK) im Sommer 2019 seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. Hintergrund war eine Vorladung Haradinajs zum internationalen Kosovo-Strafgericht in Den Haag. Das Gericht war 2015 eingerichtet worden, um mutmaßliche Verbrechen im bewaffneten Konflikt zwischen Serbien und der kosovarischen UÇK, in der Haradinaj Kommandeur gewesen war, aufzuklären. Nach der Parlamentswahl wurde Ende November die linksnationalistische Bewegung „Vetëvendosje“ (Selbstbestimmung) als Wahlsieger bestätigt. Der voraussichtliche Premierminister Albin Kurti will sich nach eigenen Angaben auf Rechtsstaatsreformen konzentrieren.

Trotz der innenpolitischen Lähmung durch die vorgezogenen Wahlen konnten im Berichtsjahr viele kosovarische Gesetze an EU-Standards angepasst werden. Problematisch bleibt dabei allerdings die große Zahl internationaler Akteure, die in Kosovo unterstützende Beratung leisten. Aus diesem Grund wird 2020 ein umfangreiches EU-Grant-Projekt starten, das einen ähnlich ganzheitlichen Beratungsansatz verfolgt wie das EURALIUSProjekt in Albanien.

Konzeption

Seit 2001 zählt Kosovo zu den Partnerstaaten der IRZ. Sowohl im Rahmen von EU-finanzierten als auch bilateralen zuwendungsfinanzierten Projekten führt die IRZ seitdem Beratungen in unterschiedlichen Formaten mit langjährigen Partnern durch. 2019 konnte die bisherige Projektarbeit weiter vertieft werden, auch wenn geplante Vorhaben, die die IRZ nach Abschluss des Twinning-Projekts mit dem Justizministerium auf bilateraler Ebene fortsetzen wollte, aufgrund der Neuwahlen teilweise nicht mehr stattfinden konnten.

Schwerpunkte der bilateralen Zusammenarbeit bildeten 2019 das Jugendstrafvollzugsrecht sowie die Ausbildung von Pressesprecherinnen und Pressesprechern aller Staatsanwaltschaften des Kosovo

Gemeinsam mit UNICEF Kosovo berät die IRZ seit 2016 zum Jugendstrafvollzugsrecht. Ziel ist dabei die Situation im kosovarischen Jugendstrafvollzug nachhaltig zu verbessern und europäische Standards für eine jugendfreundliche Justiz zu etablieren. Um einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, sind die Zielgruppen der IRZ-Trainings in diesem Zusammenhang nicht nur das Strafvollzugspersonal selbst, sondern auch Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Auch die effektive Vernetzung von Nichtregierungsorganisationen mit dem Strafvollzug sind ein weiteres vorrangiges Ziel. Deutscher Partner für diesen aktiven Austausch mit der kosovarischen Justiz ist die niedersächsische Justiz und der dortige Jugendstrafvollzug. Zusammen mit Letzterem konnte in 2019 eine Hospitation in Hameln und Göttingen zur Ausbildung der kosovarischen Ausbilderinnen und Ausbilder im Jugendstrafvollzug organisiert werden.

Parallel dazu nahm die IRZ Gespräche mit kosovarischen Entscheidungsträgern zwecks Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen auf, die es ermöglichen, im Strafvollzug erstellte Produkte zu veräußern. Nur so ist gewährleistet, dass im Rahmen der Aus- und Fortbildung von jugendlichen Inhaftierten hergestellte Produkte Einnahmen generieren, die wiederum in die Ausbildung investiert werden können.

Darüber hinaus arbeitet die IRZ weiterhin mit dem Kosovo Prosecutorial Council (KPC) intensiv zusammen, um eine professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften und des KPC aufzubauen. Dabei orientiert sich das Training am gleichartigen Programm für das Justizministerium, das im Rahmen eines IRZ-Twinning-Projekts entwickelt wurde, um Synergien zu nutzen und ein in sich schlüssiges System der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Justiz zu etablieren.

Tätigkeitsschwerpunkte 2019

Rechtspflege

  • Drei Seminare zum Thema „Medien- und Öffentlichkeitsarbeit“ für kosovarische Pressesprecherinnen und Pressesprecher sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und den KPC in Pristina, Mitrovica, Prizren und Ferizaj

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Workshop „Schutzmaßnahmen für minderjährige Opfer und Zeugen von Straftaten“ für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte
  • Training „Wahrung der Schutzrechte von Jugendlichen bei einer rechtsanwaltlichen Vertretung in allen Phasen des Gerichtsverfahrens“ für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Kooperation mit der Rechtsanwaltskammer von Kosovo in Pristina
  • Zwei Trainings zum Thema „Aus- und Fortbildung als Voraussetzung einer erfolgreichen Resozialisierung und Wiedereingliederung von Jugendlichen in die Familien und Gesellschaft“ für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kosovarischen Jugendstrafanstalten in Lipjan
  • Hospitation einer kosovarischen Delegation in Deutschland zum Thema „Ausbildung im Jugendstrafvollzug“
  • Erstellung von Kommentaren zu bilateralen Abkommen zwischen Kosovo und diversen EU- und Nicht-EU-Mitgliedstaaten im Bereich der internationalen strafrechtlichen Zusammenarbeit

Aus- und Fortbildung

  • Teilnahme kosovarischer Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der „IRZSommerschule Deutsches Recht“ in Bonn
  • Teilnahme eines kosovarischen Teilnehmers am Sprachkurs „Deutsch für Juristen“ des Goethe-Instituts

Von der Europäischen Union finanzierte Projekte

EU-Twinning-Projekt: Strengthening policy formulation and legislative drafting

Im Juni 2019 ging das auf Wunsch des kosovarischen Justizministeriums um vier Monate verlängerte EU-Twinning-Projekt „Strengthening policy formulation and legislative drafting“ erfolgreich zu Ende. Während der Abschlussveranstaltung am 16. Mai in Pristina unterstrich der kosovarische Justizminister Abelard Tahiri nochmals die Bedeutung des Projekts für das große Ziel, der EU beizutreten. Das von der IRZ in Zusammenarbeit mit dem kosovarischen Justizministerium seit Oktober 2016 durchgeführte Projekt hatte eine Laufzeit von 32 Monaten und diente der Unterstützung des kosovarischen Justizministeriums u.a. bei der Rechtsharmonisierung und der Anpassung der Gesetzgebung in Einklang mit EU-Recht.

In den letzten Monaten der Projektlaufzeit lag ein besonderer Schwerpunkt auf der Unterstützung des Ministeriums bei der „Functional Review of the Rule of Law Sector“, einer groß angelegten Analyse des Justizsektors unter dem Blickwinkel des EU-Angleichungsprozesses. Aus der engen Zusammenarbeit mit dem kosovarischen Justizministerium gingen unter anderem verschiedene Gesetzentwürfe, wie zum Beispiel zum internationalen Privatrecht und zur zivilrechtlichen Rechtshilfe, sowie Kommentierungen zur strafrechtlichen Rechtshilfe hervor. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums wurden überdies an konkreten Beispielen in Gesetzesfolgenabschätzung und Ex-post-Evaluation geschult. Ebenso fand zu den Themen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen europäischen Staaten statt.

EU-Twinning-Projekt: Strengthening the Information and Privacy Agency in Kosovo

Im November 2019 erhielt die IRZ als Juniorpartner, gemeinsam mit dem lettischen Justizministerium, den Zuschlag für das EU-Twinning-Projekt „Strengthening the Information and Privacy Agency in Kosovo“. Mit Hilfe des Projekts sollen die Kapazitäten der kosovarischen Informations- und Datenschutzbehörde ausgebaut und das öffentliche Bewusstsein für den Datenschutz und der Zugang zu öffentlichen Informationen verbessert werden. Das Projekt hat ein Volumen von zwei Millionen Euro und eine Laufzeit von 30 Monaten. Der Start des Projekts ist für September 2020 geplant.

Ausblick

Die IRZ wird auch in 2020 die bewährte Kooperation mit ihren langjährigen Partnern fortsetzen. Dazu zählen insbesondere das Verfassungsgericht, das Oberste Gericht sowie das Justizministerium. Daneben will die IRZ auch mit dem KPC und im Bereich Jugendstraf- und Strafvollzugsrecht mit UNICEF Kosovo weiter zusammenarbeiten. Abzuwarten bleibt hier jedoch, inwiefern das geplante Kosovo-Grant-Projekt diese Themen abdeckt, um eine Doppelung der Aktivitäten zu vermeiden. Insofern verfolgt die IRZ in Kosovo auch 2020 einen flexiblen und auf die Bedürfnisse des Landes ausgerichteten Ansatz, der den nachhaltigen und vertrauensvollen Austausch mit den kosovarischen Institutionen in den Mittelpunkt stellt.