Kosovo - Jahresbericht 2015
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 18. Mai 2016
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Die Republik Kosovo, die am 17. Februar 2008 ihre Unabhängigkeit erklärte, wird noch immer nicht von allen Staaten anerkannt: Fünf der 28 Mitgliedstaaten der EU sprechen sich nach wie vor gegen die Eigenständigkeit des Kosovo aus. Alle Nachfolgestaaten Jugoslawiens und Albanien haben mittlerweile den Kosovo als unabhängig anerkannt – mit Ausnahme von Serbien und Bosnien und Herzegowina, wo die serbische Bevölkerung die Unabhängigkeit strikt ablehnt. Insgesamt erkennen 108 Staaten weltweit die Republik Kosovo an.
Die Europäische Kommission klassifizierte noch 2008 Kosovo unter Hinweis auf die UN-Resolution 1244, die den endgültigen völkerrechtlichen Status offen lässt, als potenziellen EU-Beitrittskandidaten. Zugleich wurde die European Union Rule of Law Mission in Kosovo (EULEX) ins Leben gerufen. EULEX unterstützt bestehende rechtsstaatliche Strukturen durch Anleitung, Beobachtung und Inspektion in einem multiethnischen Staat. Als einzige EU-Mission verfügt EULEX über eigene exekutive Befugnisse im justiziellen und polizeilichen Bereich. Das Mandat wurde bis Juni 2016 verlängert.
In einem rechtlich nicht bindenden Gutachten stellte der Internationale Gerichtshof im Juli 2010 fest, dass die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht gegen das Völkerrecht verstößt. Eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und vielen anderen internationalen Organisationen bleibt Kosovo allerdings bis heute verwehrt.
Im September 2012 wurde die Überwachung der Unabhängigkeit Kosovos beendet und der Internationale Zivile Repräsentant (ICR) abberufen, nachdem Kosovo den dafür erforderlichen Verfassungs- und Rechtsrahmen geschaffen hatte.
Die seit Dezember 2014 bestehende Regierung unter Präsidentin Atifete Jahjaga sieht sich großen Herausforderungen gegenüber. Die Unzufriedenheit der kosovarischen Bürgerinnen und Bürger mit der innenpolitischen Situation hat stetig zugenommen. Ein Indiz dafür sind auch die insbesondere 2015 gestiegenen Zahlen von Personen, die das Land verlassen haben.
Im Juni war der kosovarische Justizminister Hajredin Kuci auf Einladung der IRZ zu Besuch im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Berlin. Dort wurde er von Bundesjustizminister Heiko Maas empfangen. Neben Gesprächen über die zukünftige Zusammenarbeit der beiden Ministerien wurde ein Abkommen über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo unterzeichnet.
Der im September veröffentlichte Fortschrittsbericht der EU für die Republik Kosovo ist Bestandteil des „Erweiterungspakets", das von der Europäischen Kommission im November 2015 verabschiedet wurde. Gemäß diesem Bericht hat Kosovo u.a. gute Fortschritte in den Bereichen Öffentliche Auftragsvergabe und Finanzkontrolle gemacht.
Auch das im Oktober 2015 unterzeichnete Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, das die erste vertragliche Beziehung zwischen der EU und der Republik Kosovo darstellt, hat gezeigt, das Kosovos Institutionen in der Lage sind, politische Vorgaben umzusetzen. Mit Blick auf die Erfüllung der Vorgaben aus diesem Abkommen muss Kosovo jedoch weitere maßgebliche Schritte unter anderem in den Bereichen der Rechtsstaatlichkeit, des Justizwesens, der öffentlichen Verwaltung, der Wahlreform, des Parlaments, der Menschen- und Grundrechte, des Minderheitenschutzes, des Handels und des Binnenmarktes unternehmen. Dabei stehen noch immer die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption, das Ergreifen von Sicherheitsmaßnahmen für Justizpersonal und Verfahrensbeteiligte, der Abbau von Verfahrensrückstau und die Beachtung prozessrechtlicher Vorschriften im Vordergrund.
Konzeption
Die IRZ hat im Kosovo seit 2001 bereits zahlreiche Projekte erfolgreich umsetzen können. Neben den Maßnahmen aus der bilateralen Zusammenarbeit implementiert die IRZ Drittmittel- und Twinning-Projekte.
Derzeit befinden sich noch die zwei Twinning-Projekte „Improving the Approximation of Laws and Coherence of the Legal Framework" und "Strengthening the Correctional and Probation Services in Kosovo" in der Implementierungsphase. Im Herbst 2015 wurde das Twinning-Projekt „Further Support to Legal Education Reform" erfolgreich beworben, das eine inhaltliche Fortsetzung des gleichnamigen Drittmittelprojekts darstellt und der Nachhaltigkeit dienen soll. Der Projektstart dieses dritten Twinning-Projekts erfolgte zum Jahresende. Das Drittmittelprojekt „Further Support to Legal Education Reform" hat mit seinen Maßnahmen die kosovarische Justizakademie in den Bereichen Gesetzgebungsberatung, Entwicklung einer Rechtsbibliothek und Gerichtsmanagement unterstützt und hat nach 24-monatiger Laufzeit im September dieses Jahres seinen erfolgreichen Abschluss gefunden.
In den vergangenen drei Jahren organisierte die IRZ viele bilaterale Maßnahmen. Im Rahmen von Workshops und Seminaren intensivierte sie ihre bereits bestehenden Kontakte zum Verfassungsgericht und dem Oberstem Gericht der Republik Kosovo, zur rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Pristina, zum Kosovo Judicial Institute (KJI) und zum Justizministerium.
Tätigkeitsschwerpunkte 2015
Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit
- Workshop „Wie man die Abgabe von Verfahren vom Obersten Gericht an das Verfassungsgericht fördert" mit Richterinnen und Richtern vom Verfassungsgericht und dem Oberstem Gericht der Republik Kosovo in Budva, Montenegro
- Studienreise für eine Delegation des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichts der Republik Kosovo zum Bundesgerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe, zum Staatsgerichtshof nach Wiesbaden sowie zum EGMR nach Straßburg
- Seminar zum Thema „Strukturen des Grundrechtsschutzes in Deutschland" für Studierende der Rechtswissenschaften der Universität Pristina in Zusammenarbeit mit der Universität Pristina und Professor Dr. Rainer Arnold vom Jean-Monnet-Lehrstuhl der Universität Regenburg
Rechtspflege
- Arbeitsbesuch für fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des kosovarischen Justizministeriums nach Berlin mit Fachgesprächen beim BMJV, bei der Parlamentariergruppe Südosteuropa und der Tagungsstätte der Deutschen Richterakademie in Wustrau
- Further Support to Legal Education Reform (EU-Service-Contract)
- Improving the Approximation of Laws and Coherence of the Legal Framework (EU-Twinning)
- Strengthening International Legal Cooperation (EU-Twinning)
Strafrecht und Strafvollzugsrecht
- Strengthening the Correctional and Probation Services in Kosovo (EU-Twinning)
- Studienreise für eine Delegation des Justizministeriums der Republik Kosovo zum Thema "Strafvollzug und Bewährungshilfe" nach Oldenburg, Wilhelmshaven und Vechta
Aus- und Fortbildung
- Teilnahme von drei Studierenden der Rechtswissenschaften der Universität Pristina an der IRZ-Sommerschule „Deutsches Recht" in Brühl und Bonn
- Seminar zum Thema „Korruptionsbekämpfung im Kosovo" in Zusammenarbeit mit der Anti-Korruptions-Agentur, dem nationalen Koordinator für Korruption und dem Koordinator für Korruptionsbekämpfung bei der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Kosovo, Dr. Matthias Hartwig vom Max-Planck-Institut in Heidelberg sowie Helmut Leithäuser, Vorsitzender Richter am Landgericht Wuppertal
Ausblick
Wie schon in den Vorjahren soll auch 2016 die bilaterale Zusammenarbeit mit den bisherigen Partnerinstitutionen fortgesetzt und ausgebaut werden.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle der gute und vertrauensvolle Kontakt zum 2009 gegründeten Verfassungsgericht, das die IRZ weiterhin durch gezielte und auf die besonderen Bedürfnisse dieses Gerichts abgestimmte Maßnahmen beim Aufbau einer eigenständigen Verfassungsgerichtsbarkeit unterstützen möchte. Anfragen zu Seminaren und Workshops liegen bereits vor. Einen weiteren Fokus legt die IRZ auf die Zusammenarbeit mit der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Pristina.