Kasachstan – Jahresbericht 2022
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- Veröffentlicht: Montag, 04. September 2023
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Nach den Massenprotesten in Januar 2022 befindet sich Kasachstan auf einem Kurs der politischen Reformen. Im Juni fand ein Referendum zu den Verfassungsänderungen statt, dabei hat eine große Mehrheit der Bevölkerung für eine Änderung der Verfassung gestimmt. Durch die Reformen soll die politische Entscheidungsfindung dezentralisiert und der Einfluss des Präsidenten relativiert werden. Das Parlament und das wieder installierte Verfassungsgericht, welches seine Arbeit im Januar 2023 aufnahm, erhielten zudem mehr Befugnisse.
Bereits im September 2022 wurde die künftige Amtszeit des Präsidenten auf einmalig sieben Jahre begrenzt. In seiner Rede zur Nation kündigte Präsident Tokajew weitere umfassende Reformen an, die die Entwicklung eines „effektiven Staates mit einer starken Zivilgesellschaft“ fördern und auch den politischen Wettbewerb durch Schaffung eines Mehrparteiensystems erlauben.
Die vorgezogenen Präsidentenwahlen fanden am 20. November 2022 statt. Insgesamt haben sich zwölf weitgehend unbekannte Kandidaten aufgestellt, von denen nur sechs registriert worden sind, darunter auch der amtierende Präsident Tokajew. Wie erwartet ging er mit einer 81,31-prozentigen Mehrheit der abgegebenen Stimmen als Sieger der Wahlen hervor.
Für Deutschland gewinnt Kasachstan immer mehr an Bedeutung, vor allem in Hinblick auf die Schwerpunkte „Energie und Infrastruktur“. Das Land ist ein wichtiger Wirtschaftspartner in Zentralasien. Kasachstan hat sich in der UN-Abstimmung über die Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gegen Russland gestellt und die annektierten ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk nicht als unabhängige Staaten anerkannt. Kasachstan stellte damit auch klar, dass es die Zusammenarbeit mit den westlichen Ländern aufrechterhalten will. Ende Oktober 2022 besuchte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auf ihrer Reise nach Zentralasien auch Kasachstan. Dabei ging sie auch auf die EU-Initiative „Global Gateway“ ein. Die Kernpunkte des Vorhabens betreffen im Wesentlichen die Themen „Klimaschutz, Energietransformation und Digitalisierung“, in diesen Bereichen will auch Deutschland – gemeinsam mit der Europäischen Union – Projekte auf den Weg bringen.
Konzeption
Im Jahr 2022 dauerten die Beschränkungen wegen der COVID-19-Pandemie teilweise an, auch die instabile politische Lage in Kasachstan Anfang des Jahres beeinflusste die Zusammenarbeit kurzzeitig. Die meisten Beratungen fanden im Online-Format statt, zum Jahresende konnten aber zwei Veranstaltungen – zu den Themen „Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ)“ und „Verwaltungsrecht“ – im Präsenzformat realisiert werden. Die positive Resonanz der Teilnehmenden und der Referentinnen und Referenten bestätigte erneut die Bedeutung von Präsenzveranstaltungen, die den persönlichen fachlichen Austausch in besonderer Weise fördern.
Der Verfassungsrat bzw. nun das Verfassungsgericht, das Justizministerium, das Ministerium für Bildung und Wissenschaft, der Oberste Gerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft mit deren Fortbildungsakademien sind langjährige Partnerinstitutionen der IRZ. Es gelang, die Zusammenarbeit mit neuen Institutionen, wie dem Zentrum für das deutsche Recht an der Juristischen Fakultät der KAZGUU Universität, aufzubauen.
Den Schwerpunkt der Beratungen bildeten das Zivil- und Wirtschaftsrecht, die Anwendung des HKÜ, das Thema Korruption sowie die Implementierung des neuen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessgesetzbuchs. Neben der Weiterbildung der Richterschaft schulte das IRZ-Expertenteam auch die kasachischen Dozentinnen und Dozenten zur neuen Gesetzgebung.
Tätigkeitsschwerpunkte 2022
Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit
- Internationaler Runder Tisch „The Evolution of Constitutional Control in the Context of Societal and State Transformation“ mit dem Verfassungsrat der Republik Kasachstan
Zivil- und Wirtschaftsrecht
- Online-Seminar mit dem Justizministerium der Republik Kasachstan „Building Respect for Intellectual Property and Combating Counterfeiting and Piracy in the Digital Environment for Law Enforcement Officials“
- Online-Seminar „Die praktische Anwendung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung“ mit dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Republik Kasachstan und der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht (HCCH)
- Seminar „The Practical Operation of the Hague Convention of 25 October 1980 on the Civil Aspects of International Child Abduction“ mit dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Republik Kasachstan und HCCH als Präsenzveranstaltung in Almaty
- Online-Seminar „Das deutsche Privatinsolvenzrecht als Beispiel einer Regelung zur Lösung der Insolvenz natürlicher Personen“ mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst e. V. und dem Zentrum für Deutsches Recht an der KAZGUU Universität
Öffentliches Recht
- Online-Seminar „Gesetzgebung zum Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren: Besonderheiten und Probleme bei der Anwendung in der Praxis“ mit der Rechtsakademie beim Obersten Gerichtshof
- Seminar „Verwaltungsrecht: Theorie und Praxis des Unterrichtens“ mit dem Zentrum für Deutsches Recht an der KAZGUU Universität in Astana
Straf- und Strafvollzugsrecht
- Online-Seminar „Korruptionsprävention im Gerichtssystem“ mit der Rechtsakademie beim Obersten Gerichtshof
Ausblick
Auch im Jahr 2023 sollen Beratungen zum Verwaltungsverfahrensrecht, zum Verfassungsrecht und zum Zivil- und Wirtschaftsrecht stattfinden. Einen weiteren Fokus legt die IRZ auf die Korruptionsbekämpfung und plant hier neue kasachische Partner miteinzubeziehen. Insgesamt werden die angekündigten weitreichenden Reformen in Kasachstan neue Impulse für die Zusammenarbeit setzen. Daher ist auch eine Partnerschaft mit dem neu geschaffenen Verfassungsgericht angedacht.
Den gesamten Jahresbericht 2022 finden Sie auf unserer Website unter Mediathek – Jahresberichte.