Kasachstan – Jahresbericht 2023

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gewinnt Kasachstan immer mehr Bedeutung als ein aufstrebender Mittelstaat in Zentralasien und rückt – vor allem aus der Sicht der deutschen Wirtschaft – immer mehr in den Fokus. Die regionale und wirtschaftliche Zusammenarbeit soll künftig gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund fanden im Jahr 2023 mehrere Treffen in Kasachstan und Deutschland auf höchster Regierungsebene statt.

Die laufenden Reformen im Rechts- und Justizbereich wurden weiter vorangetrieben. Besondere Aufmerksamkeit kam dem neu gegründeten Verfassungsgericht zu, das am 1. Januar 2023 seine Arbeit aufgenommen hat. Bereits in der ersten Jahreshälfte wurden über 3.000 Anträge gestellt, die jedoch zu rund 90 Prozent nicht zulässig waren. Bei den meisten Anträgen handelt es sich um Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Präsident und ebenso Abgeordnete haben einige Vorschriften der geltenden bzw. noch nicht in Kraft getretenen Gesetze durch das Verfassungsgericht auf Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen.

In seiner Botschaft an das Volk am 1. September 2023 konzentrierte sich Präsident Tokajew vorrangig auf wirtschaftliche Reformen, die Investitionen und den Aufbau der wirtschaftlichen Beziehungen mit anderen Ländern fördern sollen. Als Schlüsselaufgaben nannte er die Industrialisierung, Diversifizierung, Umstellung auf grüne Energien, Vereinfachung der Steuergesetze sowie Transparenz und Fairness im Verwaltungssystem. Kasachstan treibt auch die Digitalisierung weiter voran, um Bürokratie abzubauen und gleichzeitig die Transparenz der administrativen Prozesse zu erhöhen.

Konzeption

Die Schwerpunkte der Arbeit der IRZ in Kasachstan orientieren sich an den aktuellen Rechtsreformen. Im Jahr 2023 stand die Aufnahme der Arbeit mit dem neuen Verfassungsgericht im Vordergrund, da eine gut funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit ein bedeutendes Instrument der Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten ist. Themen der Zusammenarbeit waren vor allem die Verfassungsbeschwerde, die Menschenrechte und deren Durchsetzung sowie Fragen der Arbeitsorganisation eines Verfassungsgerichts.

Die Kooperation zur Anwendung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungsprozessgesetzbuchs setzte die IRZ ebenfalls fort und bildete Hochschuldozentinnen und Hochschuldozenten aus. Hier stand die juristische Fallbearbeitung im Fokus unter Einbeziehung von Lösungsschemata, die nach der deutschen Methodik zum Einsatz kommen.

Kasachstan hat einige Haager Abkommen ratifiziert, jedoch bestehen noch Probleme bei der Anwendung und Auslegung. Daher bildete dieser Themenkomplex in der Zusammenarbeit mit dem Obersten Gerichtshof sowie mit der Gerichtsverwaltung einen besonderen Schwerpunkt.

Bei der Umsetzung internationaler Vorschriften auf dem Gebiet des geistigen Eigentums ist das kasachische Justizministerium die Partnerinstitution der IRZ, hier wird die Zusammenarbeit weiter fortgesetzt. Kasachstan steht nach dem Corruption Perceptions Index 2022 im internationalen Ranking zwar auf Platz 101 von 180; dies bedeutet unter den zentralasiatischen Staaten die beste Platzierung. Die diesbezügliche Zusammenarbeit wird vorrangig mit dem Antikorruptionsdienst umgesetzt.

Tätigkeitsschwerpunkte 2023

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Unterstützung der hybriden Veranstaltung „Tage des deutschen Rechts“ mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst e. V. und dem Zentrum für Deutsches Recht an der KAZGUU Universität in Astana
  • Internationale Konferenz „Constitutional Justice: dignity, freedom and justice for all“ in Astana mit dem Verfassungsgericht der Republik Kasachstan in Astana
  • Studienreise der Delegation des Verfassungsgerichts der Republik Kasachstan zum Thema „Praxis der Verfassungsgerichte“ nach Berlin und Karlsruhe und nach Wien

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Seminar „Die praktische Anwendung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und vom 18. März 1970 über den Erwerb von Beweismitteln im Ausland in Zivil- oder Handelssachen“ in Shymkent mit der Gerichtsverwaltung der Republik Kasachstan und der Haager Konferenz für internationales Privatrecht
  • Mitwirkung an einem Online-Seminar zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, mit dem Justizministerium der Republik Kasachstan und der Weltorganisation für geistiges Eigentum
  • Mitwirkung an einem hybrid durchgeführten Seminar zum Vertrag von Marrakesch (Vertrag zur Erleichterung des Zugangs für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Personen zu veröffentlichten Werken vom 27. Juni 2013) in Astana mit dem Justizministerium der Republik Kasachstan und der Weltorganisation für geistiges Eigentum

Öffentliches Recht

  • Schulung von Dozentinnen und Dozenten der KAZGUU Universität zum Thema „Verwaltungsrecht: Theorie und Praxis des Unterrichtens II“ in Astana, gemeinsam mit dem Zentrum für Deutsches Recht an der KAZGUU Universität

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Online-Seminar zur Korruptionsbekämpfung mit der Antikorruptionsagentur der Republik Kasachstan
  • Kommentierung zum Entwurf der Methodologie der Korruptionsbewertung (Korruptionsprävention)

Ausblick

Im Jahr 2024 wird die IRZ sich in der Zusammenarbeit mit Kasachstan erneut auf die Schwerpunkte Verfassungsrecht und Menschenrechte, Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht, Zivil- und Wirtschaftsrecht sowie Strafrecht (hier insbesondere auf die Bekämpfung der Korruption) konzentrieren.